Leseprobe

108 D ie beiden in Dresden tätigen Kunstdrechsler begleiteten zunächst vor allem Kur- fürst August in seiner Freizeit. Für dessen Nachfolger und Sohn, Christian I., der selbst im Drechseln ausgebildet war, schufen sie eine unerreicht umfangreiche Sammlung mit zum Teil großen Kunststücken, die die Dresdner Kunstkammer mit ihrer materiellen Pracht und dem gestalterischem Genius und großem Wissen der Drechsel- meister vor anderen auszeichnete. Hofdrechsler waren hochbezahlte Künstler-Ingenieure. Sie schufen auf Grundlage komplizierter Berechnungen virtuose Kunstwerke und fertigten dafür auch die not- wendigen Spezialwerkzeuge an. Ihre Kunstfertigkeit war das Ergebnis eines perfekten Zusammenspiels von angewandter Mathematik und mechanischer Hochtechnologie. Dies wird deutlich, wenn man den für 1591 überlieferten Bestand der Werkstatt des Hofdrechslers Georg Wecker betrachtet. Neben Werkzeug zum Zurichten des Elfen- beins umfasste sie fünf verschiedene Drehbänke, zwei davon genutzt von Kurfürst August und seinem Sohn Christian I. Weiterhin verzeichnete sein Werkstattinventar 2 480 Dreheisen, darunter zahlreiche Profileisen, Hohlbohrer, Hohldreheisen oder Schraubenbohrer. Der Künstler-Ingenieur musste also für jedes seiner Kunststücke mehrere Spezialwerkzeuge anfertigen. Hofdrechsler waren vor allem aber begnadete Künstler. Am Dresdner Hof arbeiteten gleich zwei von ihnen: von 1576 bis 1622 Georg Wecker aus München und von 1584 bis 1595 Egidius Lobenigk. Bestallt wurden die beiden Hofdrechsler von dem sonst durchaus spar- samen Kurfürsten August. Er war ein Liebhaber der angewandten Mathematik, die es ihm ermöglichte, eigenhändig Landkarten zu zeichnen oder Drechselkunststücke anzu- Elfenbeinkunststück mit Marcus Curtius Elfenbein signiert von Egidius Lobenigk Dresden, wohl 1591 – 1595 H. 24,0 cm/Inv.-Nr. II 18

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