Leseprobe
176 B eide Objekte stammen aus der Werkstatt Hans Jakob Mairs. Dieser in seiner Zunft hoch angesehene Goldschmied arbeitete für viele Fürstenhäuser. Beispiele aus seinem Œuvre befinden sich deshalb in den wichtigen historischen Sammlungen in Wien, Moskau, München und natürlich Dresden. Hans Jakob Mair gelang es wohl besonders gut, der damals modischen Vorliebe für farbenfrohe und zugleich kostbar gestaltete und ausgezierte Goldschmiedewerke zu entsprechen. Die achteckige Prunk- kassette, deren Inneres dem Betrachter durch in die Wandung und den Deckel eingelegte Bergkristallscheiben offenliegt, ist ein typisches Schaustück dieser Zeit. Sie eignet sich nicht als Aufbewahrungsort für Schmuck, Schreibgeräte oder anderes. Sie dient einzig dem Beeindrucken des Betrachters durch den fast schon überreichen Dekor an edelstein- besetzten Blütenblättern, Emailperlen und bunt emaillierten Akanthusranken. Kleine Silberreliefs und Figuren auf der Wandung der Kassette stellen die vier Jahreszeiten, die vier Elemente und die vier Himmelsrichtungen dar. In der Mitte des pagodenartig ein- schwingenden Deckels stützen drei silbervergoldete Putti einen großen Topas. Der neu- gierige Blick durch die Bergkristallscheiben auf den Boden der Kassette erlaubt zudem die Betrachtung eines Reliefs mit der Darstellung der tragisch-tödlichen Fahrt des Phae- ton mit dem Sonnenwagen Apolls. Bei der Tischuhr sind es erneut Bergkristallplatten, die das Betrachten des von Elias Weckerle angefertigten Uhrwerks ermöglichen. Die quadratische, auf vier Bergkristall- kugeln ruhende Tischuhr ist fast überbordend mit Amethysten und Granaten bedeckt. Olivine, Türkise und Smaragde ergänzen farbig komplementär den primär rotvioletten Grundton des Edelsteinschmucks. Das Zifferblatt der Uhr befindet sich auf dem Rücken eines ruhenden Kamels, das ein orientalisch gekleideter Treiber mit Turban zum Erheben bringen will. Diese Szenerie hat seinen Ursprung in der im letzten Drittel des 17. Jahr- hunderts wieder auflebenden Türkenmode. Es war aber nicht allein die Bewunderung der osmanischen Kultur, die dies bewirkte, sondern auch die Furcht vor einer sich abzeich nenden militärischen Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Sultan, die 1683 in der Abwehr der Belagerung Wiens durch das riesige osmanische Heer gipfeln sollte. Prunkkassette Silber, teilweise vergoldet, Spiegel, Email, Kameen, Edelsteine Hans Jakob Mair Augsburg, um 1687– 1691 H. 22,1 cm, B. 31,8 cm, T. 26,4 cm/Inv.-Nr. V 600 ® Tischuhr mit Kamel und Treiber Silber, vergoldet, Farbfassung, Edelsteine, Perlmutter, Email, Kupfer, Messing, Eisen, Stahl Goldschmiedearbeit: Hans Jakob Mair Uhrwerk: Elias Weckerle Augsburg, um 1673– 1677 H. 25,0 cm, B. 18,8 cm Inv.-Nr. V 594 f
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