Leseprobe
184 D er Pokal setzt sich fast schon liebevoll und zugleich detailverliebt mit dem Pro blem eines Satyrs auseinander, die glatte, perlmuttrig schimmernde Schale eines Nautilus auf seinem Rücken zu stützen. Den Kopf zur Seite gepresst, mit dem rechten Bocksbein auf dem schlichten Fuß des Pokals festen Halt suchend, das linke zur Stabilisierung unter den Unterleib geklemmt, stützt er das Perlboot mühevoll mit seinem Nacken. Zusätzlich wird seine Arbeit durch die runde Fläche, die ihm zur Verfügung steht, erschwert, denn sie bietet ihm nur wenig Platz. Der Nautiluspokal mit Satyrschaft ist ein wunderbares Kunstwerk, als dessen Schöp- fer einzig Balthasar Permoser in Frage kommt. Er entwarf den geistreichen, bildhauerisch aufgefassten Prunkpokal und band sinnreich die Attribute des Waldgeistes – seine Hirten- flöte, den Efeukranz und das Tierfell als Bekleidung – in eine Komposition der Mühen und Lasten ein. Die silbervergoldeten Spangen sind mit Akanthus- und Weinlaub sowie Trauben belegt, einem ornamentalen Schmuck, der dem sinnenfrohen Thema des diony- sischen Gefolgsmannes entspricht. Von der Schalenspitze lächelt das wilde Gesicht des bockshornigen, struppigen Berg- und Walddämons Pan. Darüber ruht auf dem Scheitel der Schale ein lächelnder Panther, das Symbol des Gottes Dionysos. Das Kunstwerk entstand in seltener Zusammenarbeit eines namhaften Bildhauers – hier Balthasar Permoser – mit einem versierten Goldschmiedemeister. Dieser kenn- zeichnete das Schaugefäß, der Goldschmiedeordnung folgend, mit seiner Marke. Dadurch ist er als der heute weitgehend unbekannte Bernhard Quippe zu identifizieren, der damals in Berlin ansässig war. Der sächsische Hofbildhauer Balthasar Permoser hielt sich zwi- schen 1698 und 1708 mehrfach in der kurfürstlich-brandenburgischen Residenz auf, die unter dem ersten preußischen König, Friedrich I., eine künstlerische Blüte erlebte. Neben einigen Großplastiken für das Berliner Stadtschloss sowie weiteren Bildhauerwerken ent- stand wohl zum Ende seiner Berliner Zeit dieser außergewöhnliche Nautiluspokal. Nautiluspokal mit Satyrschaft Nautilusschale, Silber, ver- goldet, Perlmutterschicht Entwurf: Balthasar Permoser Goldschmiedearbeit: Bernhard Quippe Berlin, um 1707 H. 30,0 cm/Inv.-Nr. III 189
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