Leseprobe

238 K urfürst August erhielt 1581 einen mit 16 zum Teil sehr großen Smaragdkristallen besetzten Brocken aus limotischem Urgestein von Kaiser Rudolf II. als Geschenk übergeben. Die dunkelgrünen Edelsteine stammen aus der erst kurz zuvor von spanischen Eroberern erschlossenen Smaragdmine im kolumbianischen Chivor-Somon- doco. Die aus einzelnen großen Smaragden zusammengesetzte Smaragdstufe gelangte sogleich in die sächsische Kunstkammer und galt dort als die kostbarste der in dieser Sammlung verwahrten Hervorbringungen der Natur. Das scheinbare Naturwunder, dessen üppiger Besatz mit Smaragden nicht allein natürlichen Ursprungs ist, wurde von Kurfürst August so hoch eingeschätzt, dass er kurz vor seinem Tod im Jahr 1586 anord­ nete, die »Schmarallen stuffe« bei seinem »Chur-Fürstl: Hause und Stamme, zum ewigen Gedächtnüs« zu bewahren. Als fast anderthalb Jahrhunderte später August der Starke daranging, das Grüne Gewölbe zu seinem Schatzkammermuseum ausbauen zu lassen, ließ er für die Smaragdstufe, in der heute allerdings nur noch vier große und fünf kleine Smaragde sitzen, von seinem Hofbildhauer Balthasar Permoser einen als Statue geformten prachtvollen Sockel schaffen. Dieser wird allgemein mit seinem historischen Begriff als »Mohr« bezeichnet. Bei dem kraftvoll, lässig und stolz mit einem Tablett aus Schildpatt, auf dem die Smaragdstufe liegt, einherschreitenden jungen Mann handelt es sich physio- gnomisch um einen Afrikaner. Der mit einem juwelenverzierten Federschmuck gekrönte Mann ist aber zugleich aufgrund der von Johann Melchior Dinglinger geschaffenen Klei- dung und seines Schmucks als indigener Bewohner des amerikanischen Mississippideltas erkennbar, wie auf einem Kupferstich eines Reiseberichts aus dem 16. Jahrhundert über- liefert ist. Die ethnologisch exakten Körpertätowierungen weisen ihn ebenso als Urein- wohner Amerikas aus wie die kostbaren Hals- und Armbänder, der Brustschmuck, die Federkrone, der Lendenschurz und die Fußbekleidung. Ein zweiter »Mohr« mit ähnlicher Kleidung und Schmuck, diesmal als Träger einer eindeutig künstlich gefertigten Stufe aus sächsischen Landsteinen dienend, wurde 1724 von Johann Heinrich Köhler in das Grüne Gewölbe geliefert. Das Paar Trägerfiguren mit ihrer Smaragd- und Landsteinstufe stand zunächst im Pretiosensaal und fand dann ab 1729 im Juwelenzimmer seinen endgültigen Platz. Möglicherweise regten zwei »Ameri- kanische königliche Prinzen«, die seit 1722 als Eigentum eines englischen Kapitäns in Dresden lebten und dort der staunenden Öffentlichkeit vorgeführt wurden, zu diesen exotischen Ausstellungshilfen an. »Mohr« mit der Smaragdstufe Birnbaumholz, lackiert, Silber, vergoldet, große Smaragd- stufe, Smaragde, Rubine, Saphire, Topase, Granate, Almandin, Schildpatt Skulptur: Balthasar Permoser Fassung: Dinglingerwerkstatt Schildpattfurnier: Wilhelm Krüger Lackierung: wohl Martin Schnell Dresden, wohl 1724 H. 63,8 cm/Inv.-Nr. VIII 303

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