Leseprobe

10 Meisterwerke aus vergoldetem Silber, aber auch Silbererzstufen und damit seltene Hervor- bringungen der Natur. In die neue Schatzkammer gelangte aber auch gemünztes sowie ungemünztes Silber und Gold. Bis ins 18. Jahrhundert nutzten die Kurfürsten ihre »Geheime Verwahrung« im Grünen Gewölbe zudem, um Akten, Urkunden und geheim- zuhaltende Schriftstücke sicher zu verwahren. Die Schlüssel für das »Hintere Grüne Gewölbe«, den ehemaligen Fest- und Gartensaal des Kurfürsten August, verwahrte über Generationen jeder Kurfürst höchstpersönlich. Der Herrscher Sachsens konnte auch unbemerkt in seinen Staatstresor gelangen, denn eine enge Wendeltreppe führte von seinem darüberliegenden Wohnbereich direkt in den westlichen Raum vor dem Festsaal. Obwohl im Grünen Gewölbe etliche Objekte der Schatzkunst aufbewahrt wurden, befand sich die eigentliche Kunstsammlung der Renaissance und des Frühbarock in sieben Zimmern der Kunstkammer direkt unterm Dach des gleichen Schlossflügels (Abb. 3). Um die Mitte des 16. Jahrhunderts begannen immer mehr Fürsten, Sammlungen nach ihren persönlichen Vorlieben und finanziellen Möglichkeiten anzulegen, die ihre sich ver- ändernde Welt abbildeten und in denen sie Meisterwerke der menschlichen Kunstfertig- keit, seltsame Hervorbringungen der von Gott geschaffenen Natur und Seltenheiten aus fernen Ländern nebeneinander versammelten. Die im Dachgeschoss des Dresdner Schlos- ses eingerichtete Kunstkammer war eine der frühesten ihrer Art in Mitteleuropa. Der Dresdner Kunstkämmerer Tobias Beutel glaubte im späten 17. Jahrhundert, mit dem Jahr 1560 ein Gründungsjahr für die Sammlung gefunden zu haben, doch gibt es keinerlei Hinweise, dass eine formelle Gründung damals stattgefunden hat. Vielmehr begann Kurfürst August bereits kurz nach seiner Herrschaftsübernahme, zielstrebig eine Sammlung ebenso innovativer wie kunstvoller, immer aber auch gebrauchsfähiger Hand- werkszeuge anzulegen. Er erwarb zudem in großen Mengen anspruchsvolle Mess- und Zeichengeräte für die Landeserfassung, astronomische Instrumente, komplexe Uhren sowie Automaten. Zudem fertigte er mit seinen Hofdrechslern Elfenbeindrechseleien an. Im Jahr 1572 wurde diese immer stärker und schneller anwachsende, sich aber auch auf die verschiedenen neuerrichteten Schlösser im Land verteilende kurfürstliche Sammlung in der sächsischen Hofordnung institutionalisiert. Mit David Uslaub wurde ein erster Kunstkämmerer zu ihrer Betreuung eingesetzt. Das von ihmnach demTod des Sammlungs- gründers 1587 geschaffene erste Inventar der Dresdner Kunstkammer verzeichnet fast 10 000 Gegenstände, die man heute großteils nicht der Kunst zuordnen würde, die aber nach dem damaligen Verständnis durchaus die menschliche Kunstfertigkeit erfahrbar werden ließen (Abb. 4). Gemälde und Skulpturen berühmter Meister, aber auch meister- liche Werke der Goldschmiede und Kostbarkeiten der Schatzkunst fanden sich nur verein­ zelt in ihrem Anfangsbestand. Für Kurfürst August war seine Kunstkammer im Residenz- schloss mehr ein aktiv genutztes Laboratorium menschlicher Kunstfertigkeit, denn eine kontemplative Studierstube. Die umfangreiche Sammlung kreativer Werkzeuge diente ihm auch der tätigen Erholung. Erst sein Sohn Christian I. ließ in seiner kaum fünf- jährigen Herrschaft aus dem vorhandenen Bestand und zahlreichen kostbaren Zukäufen eine Schausammlung einrichten, die der Beeindruckung und Bewunderung von Besuchern dienen sollte. Die folgenden Fürstengenerationen setzten dies fort und prägten dabei das Erscheinungsbild ihrer ererbten Kunstkammer nach eigenen Vorlieben. Auf diese Weise wurde die Dresdner Kunstkammer im Verlauf des 17. Jahrhunderts zu einem touristischen Anziehungspunkt, nicht zuletzt, weil Kurfürst Johann Georg I. dann auch Werke der Schatzkunst aus dem verschlossenen Grünen Gewölbe in das Schatzkabinett unter dem Schlossdach bringen ließ.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1