Leseprobe

Martin Walde 1 1 7 durch ihre skurrile Anmut. Sie wirken wie Preziosen in einem Umfeld, das man sich nunmehr naturfern denkt. Doch selbst jemand, der vorher nichts von Hallucigenia gewusst hat, wird diese Objekte in einem Vorstellungsbe- reich ansiedeln, in dem Technik, Wissenschaft und Mythos aufeinandertreffen und Natur mit einiger Wahrscheinlich- keit im Spiel ist. Das nicht ganz zweifelsfrei rekonstruierte Meerestier aus weit zurückliegender Zeit gewinnt hier überzeugende Präsenz als Kunstwerk, dessen Bedeutung sich eher aus einem frisch hervorgebrachten Mythos als aus einem Fakt der Wissenschaft herleitet. Die verführeri- sche sinnliche Ausgestaltung der Hallucigenia geht mit dem Übergang des vagen Faktums ihrer Existenz in den mythischen Daseinsmodus einher. Das Kunstwerk handelt von diesem Übergang. Martin Walde hat sich darüber hin- aus aber auch in den laufenden Prozess der Verwandlung Hallucigenias in ein kulturelles Wesen eingebracht. Aus der Geschichte ist bekannt, dass Ereignisse von überzeitlichem Belang im Mythos einer menschlichen Gemeinschaft überdauern. Daneben gab und gibt es jedoch kurzfristige Mythenbildungen, in denen sich ein aktueller gesellschaftlicher Prozess widerspiegelt. Diese Mythenbil- dungen geschehen heute häufig unter wissenschaftlichen Vorzeichen und mit wechselnden Protagonistinnen und Protagonisten. Teilweise hängt das mit dem Starkult zu­ sammen, der bestimmte wissenschaftliche Entdeckungen ins öffentliche Licht rückt und zum Schillern bringt. Nicht first glance, his self-illuminating Hallucigenia sculptures are convincing by their bizarre grace. They function like pre- cious objects in an environment one now thinks of being far removed from nature. However, even those who had not previously known of the Hallucigenia will locate these objects in a realm of imagination, a field in which technol- ogy, science, and myth meet—nature is most likely playing as well. Reconstructed not entirely without doubt, the sea-creature from a time long gone by gains a convincing presence here as a work of art, one whose meaning is derived from a newly conceived myth rather than a fact of science. The enticing, sensuous design of the Hallucigenia goes right along with the transition from the vague fact of its existence into the mythical mode of being. The artwork is about this transition. Moreover, Martin Walde has played a part in the ongoing process of transforming the Halluci- genia into a cultural being. History tells us that events of timeless importance survive in the mythos of a human community. However, there has been and still is short-term myth-making, myths that reflect the social processes of their day. Today, these myths often occur under scientific auspices and with changing protagonists. This is partially related to the cult

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