Leseprobe

3.1 Brandenburg im 12. Jahrhundert und die Gründung der Marienkirche 13 und genoss eine Vielzahl von Privilegien.32 Neben den Markgrafen sowie den Zisterziensern, die sich ebenfalls im 12. Jahrhundert in der Mark verbreiteten, waren die Prämonstratenser maßgeblich an den Kirchenbauprojek- ten dieser Zeit beteiligt. Die Bettelorden kamen erst seit den 1230er Jahren nach Brandenburg.33 Genau in jener Umbruchszeit, in der die Brandenburg von den As­ kaniern endgültig in Besitz genommen wurde und sich die Prämonstratenser hier niederließen, kam es zur Gründung der Marienkirche auf dem Harlungerberg. Archäologische Befunde weisen darauf hin, dass der Ort bereits von den Slawen als heidnische Kultstätte genutzt wurde.34 In zwei Quellen aus dem 12. und 13. Jahrhun- dert findet bereits mit Bezug auf Brandenburg der Kult um ein Triglaw-Bildnis Erwähnung,35 welches, folgt man den Historiographen, noch bis ins 16. Jahrhundert in einer Kapelle der Marienkirche aufbewahrt gewesen sein soll.36 Ob es auf dem Berg auch einen Tempel gegeben hat, ist unklar. Hans-Dietrich Kahl, der die für Branden- burg überlieferten Quellen des 12. Jahrhunderts kritisch ausgewertet und eine umfangreiche Monografie über die Frühzeit Brandenburgs verfasst hat, vermutet, dass der Zerstörer dieses heidnischen Heiligtums auch der Grün- der der christlichen Marienkirche am selben Ort war.37 In Frage kämen dafür der letzte Hevellerfürst Pribislaw- Heinrich (um 1075– 1150) sowie der erste askanische Markgraf Albrecht der Bär. Pribislaw war 1137 zum Christentum konvertiert und ließ sich auf den Namen Heinrich taufen.38 Sein Todesdatum stellt einen Anhalts- punkt für den Versuch dar, einen ungefähren Baubeginn der ersten Kirche auf dem Berg zu bestimmen. In der Stiftsurkunde von Friedrich I. von Hohenzollern aus dem Jahr 1435 heißt es, dass der Wendenkönig Heinrich die Kirche erbaut habe.39 Kahl hält eine Gründung der Kirche durch die askanischen Markgrafen »mit ihrer breiten Herrschaftsbasis im christlichen Hinterland«40 aber für wesentlich wahrscheinlicher. Für ihn stellt das Todesdatum Pribislaws einen terminus post quem für den Baubeginn der ersten Kirche dar. Als Zerstörer des Triglaw-Heiligtums und damit einhergehend als Grün- der oder Initiator der Kirche, kommen für ihn am ehes- ten Albrecht der Bär – und neben ihm Petrissa, die Ehe- frau Pribislaws, sein Sohn Markgraf Otto I. von Bran- denburg (reg. 1170–1184) und Bischof Wigger (reg. 1138‒1161) in Frage.41 Ein terminus ante quem ergibt sich aus einer Urkunde des Jahres 1166, in der Bischof Wilmar (reg. 1161‒1173) die Übertragung der Marien- kirche auf dem Harlungerberg durch Otto I. an das Domkapitel bestätigt.42 Ob der Bau 1166 schon fertig war, oder noch unvollendet an das Domkapitel über­ geben wurde, kann nicht mit Sicherheit gesagt werden. Der Baubeginn wird deswegen zwischen 1150 und 1166 32  Sie mussten beispielsweise nicht in jedem Jahr an der Hauptver- sammlung in Prémontré teilnehmen und hatten eine eigene Kleider- ordnung. Siehe ebda., S. 34. 33  Siehe Rogge 2005, S. 110; Weigel/Cante/Ertl 2007, S. 278. 34  Siehe Geisler 1962, S. 68. 35  Siehe Kahl 1954, S. 488 f. 36  Angeblich wurde das Bildnis dieser dreiköpfigen Gottheit in der Marienkirche verwahrt, bis es ca. 1524 vom dänischen König Chris- tian II. mitgenommen wurde. Siehe CDB, D, 1862, S. 89, Microco- nicon Marchium (1599), verfasst von Peter Hafftitz. Geislers (1962, S. 70) Nachforschungen zufolge ist in Dänemark von einer Schen- kung nichts bekannt. Heinss (1752, S. 5) vermutet, dass das Bildnis in dem kleinen fünfeckigen Anbau der östlichen Apsis untergebracht war. In Gottschlings Anmerkung bei Fromme (1727, S. 168) zur Ma- rienkirche findet man die Bezeichnung »Triglaffs =Capelle«, womit aber der westliche Anbau gemeint ist. Nach Adler (1862, S. 6) habe es noch eine im 18. Jahrhundert angefertigte Kupferplatte gegeben, die das Bildnis des Triglaws zeigte. Wenn es aber schon im 16. Jahr- hundert vom dänischen König aus der Kirche entwendet wurde, kann der Entwerfer für die Kupferplatten nicht mehr das originale Bild- werk aus dem 12. Jahrhundert als Vorlage gehabt haben. 37  Siehe dazu Kahl 1964, S. 329. 38  Siehe ebda., S. 343. Pribislaw stand wohl seit 1136 unter dem Schutz Albrechts, da er dem Markgrafen im Fall seines Todes die Nachfolgerschaft in seinem Herrschaftsgebiet, zu dem Brandenburg und das Havelland gehörten, zugesichert hatte. Siehe Schillmann 1880, S. 15. 39  »Wir Fridrich, von Gots Genaden Marggrave zu Brandenburg [...] bekennen offentlichen [...] das wir oft und dick angesehen und ge- merkt haben die würdig Kirche, die der hochgeborn Furste, Herr Heinrich, ettwenn der Wenden konig, auf dem harlungenberg zu Brandenburg In die ere und wirdikeit der hochgelobten koniginn Marien gepawet hat [...]« CDB., A, 9, 1849, S. 141, Nr. CLXXXII: Markgraf Friedrich gründet ein neues Stift auf dem Marienberg bei Brandenburg, 26. Sept. 1435 . Geschichtsschreiber des 16. bis 18. Jahr- hunderts (Georg Sabinus, Zacharias Garcaeus und Nikolaus Leu- tinger) nahmen fälschlicherweise an, dass es sich bei dem genannten Heinrich um König Heinrich I. (auch der Vogler genannt, um 876‒936) handelte und kamen zu dem Schluss, dass die Kirche be- reits im 10. Jahrhundert von ebendiesem errichtet wurde. Siehe Eich- holz 1912, S. 127; etwas ausführlicher bei Seebacher 1996, S. 21 f. und Kahl 1964, S. 329. Adler (1862, S. 5) vermutete, dass die Kir- che als Grabstätte Pribislaws und seiner Gemahlin sowie seinen Vor- fahren gedient habe. Der Autor beruft sich dabei auf einen gewissen Brotussius, nach Eichholz (1912, S. 127) ein als »bedenklich« einzu- stufender Gewährsmann. Die Grabsteine sollen, so Adler, bis nach der Reformation noch in der Marienkirche vorhanden gewesen sein. Rasmus (1896, S. 66‒78) konnte diese These allerdings widerlegen. Es konnte nachgewiesen werden, dass Pribislaw in der Petrikapelle auf der Dominsel beigesetzt wurde. Siehe Kahl 1964, S. 329 f. 40 Kahl 1964, S. 332. 41  Siehe ebda., S. 331‒349. 42  Siehe Schössler 1998, S. 4 f., Nr. 5, [Magdeburg] 1166 [vor Jan. 7].

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