Leseprobe

66 6. Feiertage in der Marienkirche der festgehalten wird, dass die Vikare des Doms als »ple- banorum« bezeichnet werden.280 Clemens Kosch er- wähnt zudem in seinen Ausführungen zum Mainzer Dom, dass es unter den Vikaren einen als »plebanus« bezeichneten Dompfarrer gab, der für die Laienseelsorge zuständig war.281 Ein solches Amt wäre in Bezug auf die Marienkirche sehr gut vorstellbar. Möglicherweise wurde diese Person in der Urkunde von vor 1389 zur bewussten Abgrenzung zu den Pfarrern der anderen Kir- chen als »rector« bezeichnet.282 Bei dem genannten Ortskaplan handelt es sich jedoch vermutlich um eine weitere für die Marienkirche zuständige Person. Zumin- dest kam es wohl häufiger vor, dass bei Klosterpfarreien, die von Chorherren des Doms betreut wurden, ebenfalls jeweils ein Pfarrer sowie ein Kaplan eingesetzt wur- den.283 Wie gezeigt werden konnte, wurde die Marienkirche im 14. Jahrhundert anscheinend ganzjährig von einem Pfar- rer und einem Kaplan betreut, und es fanden regelmäßig Gottesdienste statt. Die Kirche diente also nicht nur den Domherren als Festort, sondern wurde, neben den Pfarr- kirchen St. Gotthardt,284 St. Nikolai, St. Katharinen285 und St. Petri,286 auch für seelsorgerische Zwecke genutzt. Bereits in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts hatte Papst Innozenz II. (reg. 1130‒1143) dem Prämonstraten- serorden die Befugnis erteilt, in den von ihm erschlosse- nen Gebieten Kirchen für pastorale Zwecke zu errichten. Die Pfarrer dieser externen, aber nahe am Kloster gele- genen Seelsorgestellen, oft die Pfarrkirchen der Stadt, kamen aus den Reihen der Chorherren und blieben nie eine besonders lange Zeit in diesem Amt, da sie nicht allzu lange dem alltäglichen Ordensleben fernbleiben sollten.287 Es liegt nahe, die Gründung der Marienkirche im 12. Jahrhundert sowie auch den Neubau in diesen 280  Siehe Schössler 1998, S. 144, Nr. 206, Ziesar 1358 Jan. 6. 281  Siehe Kosch 2011, S. 18. 282  Siehe Kahl 1964, Bd. 2, S. 838, Anm. 140. 283  Siehe Schmid 2003, S. 552. 284 Die Patronatsrechte von St. Gotthardt gehörten dem Domkapi- tel seit ca. 1147. St. Nikolai wurde vor 1174 St. Gotthardt eingeglie- dert. Siehe Schössler/Gahlbeck/Kurze [u. a.] 2007, S. 243. 285 Das Patronatsrecht von St. Katharinen wurde 1305 von den Markgrafen an das Domkapitel übertragen. Siehe Schössler 1998, S. 83, Nr. 107, Spandau 1305 März 7. 286 Das Patronatsrecht hatte der Markgraf 1237 dem Bischof über- geben, der es wiederum 1320 dem Kapitel übertrug. Siehe Schösser 1998, S. 100, Nr. 136, Brandenburg 1320 Apr. 27. Später wurde die Kapelle als Pfarrkirche der Domgemeinde genutzt. Siehe Eichholz 1912, S. 359 und Abb/Wentz 1929, S. 167. 287  Siehe Schmid 2003, S. 548‒553. 288  Siehe Heijman 1928, S. 69. Zusammenhang zu bringen. Da der Prämonstratenser- orden wohl eine relativ hohe Anzahl von Konversen auf- nahm, die getrennt von den Priestern lebten,288 wäre auch vorstellbar, dass die Kirche insbesondere von den Laienbrüdern selbst genutzt wurde. Die Marienkirche stand inmitten vonWeinbergen, die im Besitz des Dom- kapitels waren und vermutlich von dessen Konversen gepflegt wurden. Denkbar wäre deshalb auch, dass einige Konversen des Kapitels hier zu den Stundengebeten zu- sammenkamen.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1