Leseprobe
122 Sammlung, einer gewissermaßen interaktiven Blume und einer mehrdimensionalen Uhr, verdeutlichen, die auch eine weitere Ebene des Materialeinsatzes eröffnen und die diffe- renziertesten Fingerbewegungen mit zwei Händen verlangen (Abb. 17). Das Blatt mit der Nummerierung X und dem Doppeltitel Prépositions. Le Papillon et La Fleur/Präpositionen. Der Schmetterling und die Blume zeigt eine scheinbar unaufwendig ge- malte, aber erkennbar mit Bleistift vorskizzierte und dann aquarellierte Blume, die in einemTopf auf einemniedrigen Hocker steht, eine Art Artefakt zwischen Naturding und Möbelstück. Ihre weit geöffnete Blüte in kräftigem Rot wird ergänzt durch zwei seitliche Stiele mit Blättern rechts und links, links wiederholt sich die auffällige Farbe in einer noch geschlossenen, konisch zugespitzten Knospe. Die eigentlich originelle Zugabe dieser Bastelei ist jedoch ein aus Pappe ausgeschnittener und gelb-braun bemalter stilisierter Schmetterling, dessen linke Flügelspitze mit einem langen Faden in der Mitte der offenen Blüte befestigt ist. Diese sinnreiche Erfindung lädt so vergleichsweise eindeutig zu einem Spiel ein, das weniger Geschicklichkeit verlangt als die Drehknopf-Kombinatorik der grammatischen und logopädischen Übungsapparate. Selbstvergessen kann auch ein klei- nes Kind den Schmetterling um die Blüte kreisen lassen und an seinen verschiedenen Landeplätzen beiläufig passende Präpositionen lernen, denn in verschiedenen (Flug-) Richtungen finden sich senkrecht, waagrecht und diagonal in den zwei bekannten Farben und zwei SprachenOrts- und Richtungsangabenwie »over« und »au dessus« (»über«), »out/ hors« (»außerhalb«) – und »towards to/vers à« (»hin zu«) – und schließlich ein in die Blüte geschriebenes »dans« (»in«) ohne englische Übersetzung. 121 Dass noch diese Anordnung die übliche Leserichtung westlicher Schriften respektiert, zeigt sich allerdings nicht zuletzt daran, dass die Richtungsangabe »towards to/vers à«, somit das »Hin-zu«, von links nach rechts führt, während man sich auch im Flug des Schmetter- lings in Leserichtung entfernt mit »away from/loin de« (»weg von«) an der rechten Kante der Karte. Mit Blick auf Leserinnen und Leser scheint auch die Überschrift gewählt worden zu sein: »Der Schmetterling und die Blume« ist mehr als ein Bildtitel, denn die fünf Worte ent- werfen bereits eine Geschichte von Annäherung, Umkreisung, Ruhe und Entfernung, die das spielende Kind mit der kleinen Schmetterlings-Marionette aufführen wird – um dabei nicht zuletzt auch etwas über grammatische und andere Geschlechterordnungen zu ler- nen. 122 Kein anderer Kartonwartet mit solch kräftigen Farben auf, doch das Rot ist zugleich durchgehend Teil der Apparatur des Schachtel-Buchs, denn rotes Papier, auf die Rückseite aufgeklebt, hat bei fast allen Karten die Funktion, den Mechanismus der Zugstreifen zu 121 Im Katalog zur Ausstellung der Kartons ist als Vergleichsbeispiel auch die bereits zitierte englische Grammatik abgebildet, die in ähnlicherWeise mit zweisprachigen Richtungsangaben in auffällig unter- schiedlicher Schriftgröße an der farbigen Zeichnung eines Vogelbauers, das von neun bunt ausgemalten Vögeln bewohnt oder umflattert wird, die Präpositionen des Raums einüben helfen will; Marchal: Mal- larmé professeur d’anglais, S. 58, Abb. 12. 122 Pouly sieht die revolutionäre Neuerung Mallarmés in sol- chen Konstruktionenwie der Blumemit demSchmetterling und ihrer Eröffnungmehrerer Möglichkeiten des Gebrauchs: »Les inventions animées de Mallarmé constituent un dispositif d’appréhension de la
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