Leseprobe
180 Die Überlegungen dieses Kapitels gelten hybriden Objekten, ihrer je eigenen Medialität und Materialität und deren Implikationen; sie sind in verschiedenen Kontexten bereits je unterschiedlich konturiert worden. So lassen sich etwa Fragen zur Verbindung von Schrift und Bildmit Blick auf die unterschiedlichen Rezeptionsmodi geschriebener und gezeich- neter oder gemalter Grapheme reformulieren, wie es im Folgenden am Beispiel eines buchstäblich einzigartigen Papier-Ensembles skizziert werden soll. Ein handschriftlicher Brief auf bedrucktem Papier fällt für gewöhnlich nicht in die Kategorie der »Schrift im Bild«, sondern wäre bestenfalls umgekehrt als Beispiel für die rahmende oder rein orna- mentale Funktion solcher üblichen Verzierungen von Briefblättern interessant. 1 Das gilt jedoch nicht für ein spezielles Papierobjekt aus dem Nachlass Stéphane Mallarmés, das zudem als Hybrid aus Brief und Billett in einer eigentümlichen Doppelgestalt archiviert und photographiert wurde, ein Brief an Méry Laurent auf japanischem Papier mit einem offenbar mindestens aus archivalischen Gesichtspunkten dazugehörigen Billett. 2 Das so mehr oder weniger zufällig entstandene komplexe Artefakt erlaubt eine exemplarische Betrachtung der besonderen Zeit- und Raumordnungen, die es für verschiedene Modi der Betrachtung und der Lektüre anbietet und deren materiale Bedingtheit es zudem beson- ders augenfällig vorführt (Abb. 20). In den Kategorien der Literaturwissenschaft, hier unmittelbar anschließend an eine stillschweigend geteilte Übereinkunft alltäglicher Praxis, handelt es sich bei dem mehr- farbigen, mit Bild- und Schrift-Elementen dicht bedeckten Bogen Papier etwa imheutigen DinA4-Format um einen Brief auf buntem Papier, mithin um einen Text . Doch bereits bei 5.1 Schrift im Bild und die Zeit der Darstellung. Mallarmés japanisches Album 1 Eine erste Fassung dieser Überlegungen habe ich in einem Vortrag der Bielefelder Tagung »Schrift im Bild« imDezember 2015 vorgestellt, dessen schriftliche Ausarbeitung die (teils wörtlich übernommene) Grundlage für dieses Kapitel bildet, vgl. Cornelia Ortlieb: Mallarmés ›japanisches Album‹, in: Boris Roman Gibhardt, Johannes Grave (Hg.): Schrift imBild. Rezeptionsästhetische Perspektiven auf Text-Bild- Relationen in den Künsten, Hannover 2018, S. 107 – 128. 2 Stéphane Mallarmé: Brief anMéry Laurent auf japanischem Briefpapier mit Billett [26.7. 1892], Inv.No. 136/1, legs Henri Mondor, Bibliothèque littéraire Jacques Doucet, Paris, ebd., S. 110.
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