Leseprobe

13 weg nachvollziehbar zu machen. Mehr noch, bei der Erfindung solcher Zoll-Prozeduren in Frankreich scheint, zumindest einem Handbuch für Kaufleute aus dem 18. Jahrhun- dert zufolge, ein interessantes Doppel von Gegenstand und Schriftstück zum Einsatz gekommen zu sein. »Billett«, erstens, ist demzufolge, in etwas anderer Schreibweise ein Name für ein oder zwei typische Dinge: » Billette , oder Billet , heißt in Frankreich ein kleines Zeichen, in Gestalt eines kleinen Fäßchens, oder ein rundes Stück Holz, welches man gemeiniglich an das Ende einer Stange, an diejenigen Orte hinstellt, wo Zoll und Geleite bezahlt werden muß [...].« 9 Zweitens ist Billett in der ersten Schreibweise der Name für das Schriftstück zu die- sem Vorgang: » Billette , also nennt man auch bei dem Zollamt zu Bordeaux den Schein, welchen der Einnehmer den Kaufleuten ausliefert, damit sie sich dadurch bedürfenden Falls wegen der geschehenen Bezahlung des Zolls für dieWaaren, so sie daselbst einschif- fen und an die Fremden überschicken wollen, rechtfertigen können.« 10 Rechnung, Quit- tung, Beleg und Lieferscheinwären hier miteinander verschmolzen, wobei der ausgehän- digte Zettel offenbar beim jeweiligen Kaufmann verbleiben sollte, mithin nur der Ansatz einer Versendung zu sehen ist. Dort konnten diese ›Billetten‹ eine weitere Funktion erfül- len, nämlich die des Mahnschreibens, wenn die Waren etwa nicht vereinbarungsgemäß verschifft wurden, wofür sie ehemals, wie es weiter heißt, einen Monat gültig gewesen seien, nach einer neuen »Clausel« der »Einnehmer« nun nur noch drei Tage. 11 Das zugehörige Verb macht deutlich, wie in und aus diesen Kontexten das Billett als Format für kleine Hinweise und Mitteilungen zu Dingen entstehen konnte (Kapitel 4.3.): » Billettiren , franz. Billetter , heißt Zettel auf die Zeuge machen. Auf diese Zettel setzen die Kaufleute [...] die Nummer und die Zahl der Ellen der ganzen Stücke, nach den Fakturen oder [lies: der] Commissionairs, die sie ihnen zuschicken, und schreiben alle Tage darauf, was von den angeschnittenen abgenommen.« 12 Auch imDeutschen ist ein Kommissionär ein (Zwischen-)Händler, die »Faktur«, im veralteten Kaufmannsdeutsch, eine Rechnung für eine gelieferte Ware oder ein Lieferschein. Beim Billettieren geht es somit gleicher­ maßen um einen Austausch von Dingen und kleinen Schriftstücken: Mit der Lieferung des »Zeugs«, etwa eines Ballen Stoff, an den hier offensichtlich gedacht ist, kommt das erste Billett, der Lieferschein, dessen Angaben auf ein zweites übertragen und fortlaufend aktualisiert werden, wobei dieser Zettel fest an der gelieferten Ware befestigt bleibt, weil er zugleich demNachweis der Bestände bei der in Frankreich gesetzlich vorgeschriebenen regelmäßigen jährlichen Inventur (»Inventarium«) dient. 13 7 Der Briefwechsel Mallarmés mit Laurent wurde erst 1996 veröffentlicht und ist bislang nicht ins Deut- sche übertragen worden, obgleich er auch eine Fülle von (Billett-)Versen und die Erstfassungen teils andernorts abgedruckter Gedichte enthält, Stéphane Mallarmé: Lettres à Méry Laurent, hg. v. Bertrand Marchal, Paris 1996.  8 Vgl. zur Geschichte des Bären mit Photos auch www.literaturhaus-muenchen.de/ denkmaeler-im-haus/der-baer/.  9 Carl Günther Ludovici: Neu eröffnete Academie der Kaufleute oder encyclopädisches Kaufmannslexicon. Erster Theil, Leipzig 1797, Sp. 1878.  10 Ebd.  11 Ebd.  12 Ebd.  13 Ebd., Sp. 1879.

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