Leseprobe
19 JOCHEN VÖTSCH Kursachsen im Dreißigjährigen Krieg. Eine Einführung Um 1600 gehörte das evangelisch-lutherische Kur- fürstentum Sachsen – kurz Kursachsen – nach Be- völkerung, Fläche sowie administrativem und wirt- schaftlichem Entwicklungsstand zu den bedeutends- tenTerritorien des Alten Reiches.1 In der Geschichts- landschaft Mitteldeutschland nahmen die Dresdner Wettiner eine Hegemonialstellung gegenüber den zahlreichen kleineren und meist von ihnen lehns abhängigen Herrschaftsträgern ein. Im Obersäch sischen Reichskreis, der weitgehend das mittlere Deutschland vom Erzgebirge bis zur Ostsee in das Reich und die Reichsverfassung integrierte, verfügte der sächsische Kurfürst in seiner Funktion als Kreis- direktor relativ konkurrenzlos über eine wichtige regionale Führungsposition.2 Nachdem die mittel- alterliche Einheit der Kirche unter dem Druck der Reformation zerbrochen war, hatten sich mit der lutherischen, der reformierten oder calvinistischen sowie der erneuerten katholischen drei große neu- zeitliche Konfessionskirchen herausgebildet.Vor allem die unauflösbaren religiösen Gegensätze, verschränkt mit zwischenstaatlichen Rivalitäten und innerstaat- lichen Machtkonflikten, drängten am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges überall in Europa auf eine Entscheidung. In einer von schweren religiösen und politischen Krisen bestimmten Gegenwart sahen sich die Menschen zusätzlich mit einem raschen sozialen Wandel konfrontiert. Bevölkerungswachstum und die »kleine Eiszeit« als Zeichen der Klimaverschlech- terung führten zu einer Verknappung von Arbeit und Nahrung, dazu kamen eine Konzentration von Seu- chen und politische Unruhen. Seit etwa 1600 verschärften sich die konfes sionellen Gegensätze im Reich dramatisch. Auf den Zusammenbruch der Reichsjustiz folgte schließlich 1608 das Scheitern des Regensburger Reichstags. Es 1 Stadtansicht von Bautzen in der Oberlausitz während der Belagerung im September 1620 durch den sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. aus: Matthäus Merian d.Ä., Theatrum Europaeum, 1643, Kupferstich, H. 26,4 cm, B. 34,8 cm, Staatliche Kunst- sammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, A 130383
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