Leseprobe
24 Süntel-Buche, einer knickwüchsig wachsenden Buchenart (Fagus sylvatica var. suentelensis, »Tor tuosa«) an – eine Reminiszenz an die Heimat des Adelshauses in Niedersachsen (Abb.2). Bereits seit dem 17. Jahrhundert kauften sich wohl habende Bürger und Bauern in die Güter des Adels ein. Nach dem Ersten Weltkrieg ging mit der Abdan kung des deutschen Kaisers die Ära der Adelsdynas tien endgültig zu Ende. Eine Kultur, die die Region über 700 Jahre geprägt hatte, hörte langsam auf, zu existieren. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, mit Enteignung, Bodenreform und Zwangskollekti vierung in der Sowjetischen Besatzungszone, verän derte sich die seit dem 12. Jahrhundert gewachsene Struktur grundlegend. So ist heute der Großteil der alten Bau- und Gartenkultur der Rittergutsgärten für immer verschwunden. Der Altenburger Bauerngarten Das Altenburger Land gehört zu den Ausläufern des Erzgebirgsvorlands und endet nördlich von Alten burg in der Leipziger Tieflandsbucht . Noch heute werden rund 75 Prozent der Böden landwirtschaft lich genutzt, nur zehn Prozent der Landesfläche ist bewaldet. Eine bis zu zehn Meter mächtige Löß schicht mit hoher Bodenfruchtbarkeit und klimatisch günstige Bedingungen machen die Region zu einem bevorzugten Ackerbaugebiet. Die Region wurde von den Bauerndörfern domi niert. Hier lebten oftmals nicht mehr als 100 Ein wohner. Ein Dorf bestand aus einem bis drei großen Gütern, den »Anspanngütern«, sowie kleineren »Handgütern«, in denen Handwerker oder Bediens tete der Gutshöfe wohnten. »Für die im 12. und 13. Jahrhundert in größerer Zahl einströmenden deutschen Kolonisten wurde [. . .] durch Rodung im Grenzwalde Neuland erschlossen. Die Erhaltung sla wischer Ortsnamen spricht dafür, dass eine Vernich tung oder gewaltsame Vertreibung der Wenden (Sla wen) nicht erfolgte.« 20 »Die Flurenkarte [. . .] zeigt im Kerngebiet eine Fülle kleiner und kleinster Fluren. Die Ortsnamen enden auf -is, -itz, -witz, -schütz, -a. [. . .] Im Norden, im Osten und im Südwesten liegen die deutschen Rodungsbezirke mit relativ großen Fluren [. . .] und deutschen Ortsnamen [. . .].« 21 »Schönbaum nimmt für das Jahr 1300 einen Bestand von 337 Ortschaften an.« 22 Mit der geistigen Betreuung der Rodungsgebiete im Pleißenland war unter anderen das 1121 gegründete Benediktinerkloster Bosau (Posa) bei Zeitz beauftragt. Zur wirtschaftlichen Ausstattung erhielt es Zins einnahmen aus einer Reihe von neuen Dörfern, von denen viele im »Zehntregister« erstmalig urkundlich erwähnt wurden. Da es das Ziel der klösterlichen Gemeinschaft war, »möglichst autark zu sein, um nicht in schädliche Abhängigkeit von der Außenwelt zu gelangen« 23 , wurde neben dem Feldfruchtanbau auch der Gartenbau verbessert. Die Pflanzungen bestanden aus drei getrennten Bereichen: dem Arzneigarten (»Herbularius«), dem Gemüsegarten (»Hortus«) und dem Baum- und Obstgarten (»Poma rius«), der zugleich als Friedhof genutzt wurde. Als Hauptentwickler der europäischen Gartenkultur im Mittelalter gelten die Benediktiner- und Zisterzien serorden. Sie verbreiteten ihre Kenntnisse über Kultur pflanzen, Anbaumethoden sowie die Gestaltung von Gartenanlagen und führten neue Obst- und Gemüse sorten wie Quitte, Esskastanie, Kohl, Zwiebeln und Spinat ein. »Besonders im [. . .] Mittelalter war Gar tenbau in Thüringen weitgehend noch auf Klöster gärten mit Kräuter-, Gemüse, Obst- und Weinbau [. . .] konzentriert.« 24 Sie »waren eine Art ›Lehrbetrieb‹ für Bauern. Junge Bauern gingen deshalb oft ins Kloster und später auf ihren Hof zurück. Über wandernde Mönche wurden Erfahrungen ausgetauscht, neues Pflanzgut bekannt gemacht. [. . .] Praktisch hat jeder Bauernhof drei Gärten: 1. den Zier-, Blumen- und Kleinodsgarten vor dem Wohnhaus am Dorfweg, 2. den Gemüse-, Kratze- und Grabegarten, 3. den Obstgarten, oft die Plantage.« 25 Der klösterliche Ein fluss wurde auch an den ordnenden Strukturen der oftmals von Buchsbaum gefassten Beete im Zier- und im Gemüsegarten bemerkbar. Seine sprachliche Hei mat hat unser »Garten« im »indogermanischen ghor tos, das Flechtwerk, Einhegung, Zaun« 26 bedeutet. Fast der gesamte bäuerliche Stand war durch Fron dienste, Zinsen und andere Leistungen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stark belastet. Damit diese Leis tungen nicht vermindert würden, waren die Eigentü mer per Landesverordnung zur Erhaltung des Besit
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