Leseprobe

50 Das strenge Kastensystem in Japan unterschied in der Edo-Zeit zwischen dem Adel und den anderen Schichten. Ein Wechsel zwischen ihnen war streng untersagt. So etablierten sich in diesen Schichten auch unterschied- liche Unterhaltungsformen, etwa beim Theater. Für den Adel, zu dem auch die Samurai gehörten, gab es das Nō-Theater, für die bürgerliche Stadt- bevölkerung das volkstümliche Kabuki-Spiel. Kabuki, wörtlich übersetzt »Tanz«, »Gesang« und »Kunstfertigkeit«, ent- stand Anfang des 17. Jahrhunderts in Kyōto, als Tänzerinnen eines Shintō- Schreins durch ihre Aufführungen das männliche Publikum in den Bann zogen und sich daraus bezahlte sexuelle Kontakte ergaben. Die Behörden sahen in den Auftritten eine Art der Prostitution und verboten sie. Als durch Verordnung auch junge Männer wegen des gleichen unmoralischen Trei- bens von der Bühne verbannt wurden, verlangten die Behörden eine geordnete Form des Theaters, die auf Handlungen beruhen sollte. Der Tanz wurde nur noch als Zwischenspiel erlaubt. Die Rollen, auch weibliche, wurden ausschließlich von männlichen Schauspielern in entsprechendem Kostüm und zugehöriger Schminkmaske gespielt. Kabuki-Theater waren in den Vergnügungsvierteln der Städte angesiedelt. Schauspieler konnten Kultstatus erlangen und wurden in ihren Bühnen- Posen auf Farbholzschnitten, den yakusha-e, festgehalten. So bildete sich eine Fankultur heraus, die der heutigen ähnlich ist. Mehrteilige Holzschnitte entstanden, die in ihren Schlüsselszenen die inhaltliche Essenz des jeweili- gen Theaterstücks illustrierten. Allerdings musste der Käufer nicht den kompletten mehrteiligen Holzschnitt erwerben, sondern konnte sich auch nur ein Blatt auswählen. So erstaunt es nicht, dass sich mehr als die Hälfte der im 18. und 19. Jahrhundert erschienenen Drucke auf das Kabuki-Thea- ter beziehen. 24 Kitagawa Utamaro Die Bergmutter Yama-uba und ihr bärenstarker Ziehsohn Kintarō in einer Kabuki-Szene 1800–1803

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