Leseprobe
100 Neben den traditionellen Schauspieler-Bildern (yakusha-e) und den Dar- stellungen der Schönen Frauen (bijin-ga) wurde am Beginn des 19. Jahrhun derts die Darstellung der Landschaft (fūkeiga) zu einer der wichtigsten Neuerungen des japanischen Farbholzschnitts. Vor allem Katsushika Hoku- sai (1760–1849) und Andō Hiroshige (1797–1858) gelten als Vollender dieser Gattung und schufen Einzelblätter sowie zahlreiche Landschafts- serien. Zwar gab es – aus der chinesischen Literatur in die japanische Male- rei übertragen – den Topos der Landschaft in Verbindung mit lyrischen Assoziationen, wie etwa »Herbstmond«, »Nachtregen« oder »Aufklaren nach dem Sturm«, dagegen zeigten die japanischen Landschaftsholzschnitte reale Orte, wie etwa Stationen auf der wichtigen Überlandstraße der Ostmeer- straße (Tōkaidō) oder die Ansichten von besonderen topografischen Orten, wie dem Vulkan Fuji oder der Bucht von Edo. So entwarf Hokusai allein sieben Serien zu den 53 Stationen des Tōkaidō. Die dort dargestellten Menschen integrierte er im richtigen Verhältnis zu der sie umgebenden Natur. In den 100 Ansichten des Fuji, die Hokusai ab 1834 in drei Bänden publizierte, entwarf er autonome Bilder, die als Äqui- valent zum westlichen Einzelwerk gesehen werden können. Hiroshige dagegen legte in seinen Landschaftsserien ein stärkeres Gewicht auf atmo- sphärische Phänomene wie Nebel, Dunst oder Regen, wobei die Figuren als Stimmungsträger fungieren. Die farbigen Holzschnitte dienten nicht als Reiseführer, sondern vielmehr als Reisesouvenir oder Geschenk.
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