Leseprobe

9 Der Umfang der frühen Erwerbungen japanischer Grafiken mit über 240 Werken ist heute leider bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr nachweisbar. Bisher gänzlich ungeklärt ist, wie es zu dem Schwund kam. In den historischen Inventarbüchern sind Abgänge nicht ver- merkt. Auch bei Museumsverkäufen in den 1920er Jahren und der Überführung ethnologischer Objekte an das Völkerkundemuseum in Leipzig 1953 waren japanische Grafiken nicht enthalten. Von den zu Beginn aufgezählten Holzschnitten haben sich nur drei Einzelblätter sowie ein Triptychon erhalten (vgl. Kat. 65–68). Von den Tuschezeich­ nungen verblieben immerhin noch 20 – teils großformatige – Blätter im Bestand. Unmittelbar nach den ersten umfangreichen Schenkungen wurden 1899 für die Grafische Sammlung sechs Farbholzschnitte und eine Tuschezeichnung im Münchner Kunsthandel, im Kunst-Salon Jakob Littauer, gekauft. Unter ihnen befinden sich jeweils zwei Blätter von Katsushika Hokusai (1760–1849) (Kat. 69, 110) und Kubo Shunman (1757–1820) (Kat. 113 und 114) sowie jeweils ein Blatt von Totoya Hokkei (1780–1850) (Kat. 107) und Kitagawa Utamaro (1753–1806) (Kat. 24), außerdem die Zeichnung mit den fünf disputierenden Männern (Kat.1). Diese stellt möglicherweise den Entwurf für einen Holzschnitt dar. Von den sechs Farbholzschnitten gehören vier der Blätter zu den Suri- mono, die als Privatdrucke aufwendiger hergestellt waren und zu bestimmten Anlässen Freunden und Bekannten als Geschenke über- reicht wurden. In den folgenden Jahrzehnten spielte japanische Kunst für die Grafi- sche Sammlung zunächst keine Rolle. Die Ausrichtung des Museums unter Max Sauerlandt (1880–1934) ab 1908 sowie ab 1926 unter Alois J. Schardt (1889–1955) wurde vor allem auf die deutsche Kunst Abb. 1 Porträt Friedrich Kuhnt mit seinem Enkel, 1926 und hier im Besonderen auf zeitgenössische Positionen, etwa den Expressionismus, gelegt. Ende 1940 nahmen die japanischen Tusche- zeichnungen vor allem aus propagandistischen Gründen innerhalb des Ausstellungsplans des nationalsozialistischen Museumsdirektors Robert Scholz (1902–1981) noch einmal eine Sonderrolle ein. Vom 22. Dezember 1940 bis wahrscheinlich Anfang Januar 1941 fand ihre Präsentation in der Moritzburg statt. 13 Politischer und historischer Hintergrund war sicherlich der am 27. September 1940 von Deutsch- land, Italien und Japan unterzeichnete Dreimächtepakt, der den bereits bestehenden Antikominternpakt der drei Bündnispartner um die militärische Zusammenarbeit ergänzte. Das Resümee zur Aus- stellung konstatierte dann auch: »In dieser Ausstellung lernen wir Japan und die Japaner einmal nicht in ihrem heldischen und kämpfe- rischen Charakter kennen, sondern von der Kehrseite ihres Wesens, das von zartem Natur- und Kunstgefühl kündet. In beiden Fällen wer- den bei uns Deutschen wesensverwandte Züge berührt und so erfassen wir auch in dieser kleinen Schau den tieferen Sinn der Geschichte, wenn Japan und Deutschland um gleiche Rechte kämp- fen.« 14 Der Ausstellung vorausgegangen war ein im Rundsaal der Moritzburg gehaltener Vortrag zum Wesen japanischer Kunst von Otto Kümmel (1874–1952), dem seit 1934 amtierenden General- direktor der Staatlichen Museen zu Berlin und Gründer wie Direktor des Museums für Ostasiatische Kunst ebenda, einem profunden Ken- ner japanischer Kunst. 15 Im Zuge der im Sommer 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) einsetzenden Bodenreform 16 gelangte die Privatsammlung des in Ostrau lebenden Hans-Hasso von Veltheim (1885–1956) zunächst in das Zentrallager für Bodenreform nach Halle (Saale). Später wurde Abb. 2 Porträt David August Brauns, ohne Datierung

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