Leseprobe

10 die Kunstsammlung teilweise in die Museumsbestände des heutigen Kunstmuseums Moritzburg Halle (Saale) aufgenommen und partiell inventarisiert. Neben einem umfangreichen Bestand an Grafiken gehörten auch Gemälde, Möbel, kunsthandwerkliche Objekte sowie Asiatika zur Sammlung. Infolge des 1994 durch die Bundesregierung verabschiedeten Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetzes (EALG) wurde die Sammlung 2008 an die heutigen Erben restituiert. Darunter befanden sich auch japanische Farbholzschnitte, die inventarisiert waren und aufgrund des Sammlerstempels bzw. der Inventarisierung eindeutig als Eigentum von Veltheims identifiziert werden konnten. Hans-Hasso von Veltheim (Abb. 3) wurde 1885 als erster Sohn von Franz von Veltheim (1856–1927) und seiner bürgerlichen Frau Klara Herbertz (1860–1925) geboren. Nach der Scheidung der Eltern 1892 und dem Ende der Schulzeit begann er 1907 ein Studium der Philo- sophie, Archäologie und Kunstgeschichte in München und Bern, das er 1912 mit einer Promotion über Burgundische Kleinkirchen bis zum Jahre 1200 17 abschloss. Anschließend war er als Verlagsleiter und Antiquitätenhändler in München tätig. Schon in dieser Zeit knüpfte er Kontakte zu verschiedenen Künstlern und begann, eine private Samm- lung moderner Kunst aufzubauen. Seine Begegnung 1916 mit Rudolf Steiner (1861–1925) brachte ihn zu anthroposophischen Anschau­ ungen. Nach dem Ersten Weltkrieg lebte er mit seiner Frau, der Indus­ triellentochter Hildegard Duisberg (1892–1964), zunächst weiter in München und arbeitete als Kunsthändler und Verleger, bis es ihn 1924 nach seiner Scheidung nach Berlin zog. Nach dem Tod des Vaters erbte er 1927 das nördlich von Halle (Saale) gelegene, ver- schuldete und heruntergekommene Schloss und Gut Ostrau. Von Berlin aus begann er die Sanierung des Betriebs und des Schlosses mit Garten. In der Folge wurde Ostrau zu einem kulturellen Zentrum des Austauschs über anthroposophische, religiöse und philosophi­ sche Themen. Von Veltheim führte ein weltoffenes Haus, in dem seine Gäste tagsüber einer intensiven geistigen Arbeit nachgehen konnten und am Abend gesellig mit dem Hausherrn Konversation pflegten. In den 1930er Jahren führten ihn zwei Reisen nach Asien, u. a. nach Indien, Nepal und Afghanistan. In dieser Zeit begann er, eine Asiatika- Sammlung aufzubauen, zu der auch japanische Farbholzschnitte gehörten. Nach seiner Flucht 1945 nach Westdeutschland verstarb er 1956 in Utersum auf der Insel Föhr. 18 Vor wenigen Jahren gab es zwischen dem Kunstmuseum Moritz- burg Halle (Saale) und den Erben von Hans-Hasso von Veltheim einen Neustart in der Kommunikation. Ein erfreuliches Ergebnis des neuen Kontakts ist, dass Ende 2019 ein Teil der restituierten Sammlung als Dauerleihgabe mit Option auf Schenkung nach Halle (Saale) zurück- kehrte. Hierunter befinden sich auch die 2008 restituierten sechs japanischen Farbholzschnitte (vgl. Kat. 28, 49, 50, 116, 118). Im Zuge der Vorbereitung der Ausstellung wurden die Grafiken von Sophie Philipp restauriert und für die Präsentation neu montiert. Dabei zeigten sich im Vergleich mit Blättern aus der Sammlung des Kunstmuseums, die aus unbekannten Quellen der Bodenreform 19 stammen, in der Art der Altmontagen und Beschriftungen auffällige Ähnlichkeiten. So kam etwa beim Ablösen des an allen vier Seiten verklebten Surimono Geisha mit Shamisen von Totoya Hokkei (Kat. 118) vom Passepartoutkarton neben dem rückseitigen Sammlerstempel von Veltheims auch die mit Bleistift notierte Ziffer 27 auf der Rück- seite des Blatts zum Vorschein. Die in gleicher Handschrift notierte Zahl 67 wurde auch bei der Ablösung des Blatts Drei Geishas und ihre Gäste von Katsushika Hokusai (Kat. 116) auf der Rückseite entdeckt. Auf sieben Blättern des Museumsbestands, die nur mit dem Hinweis Bodenreform in den 1980er Jahren nachinventarisiert worden waren, fanden sich auf der Rückseite ebenfalls mit Bleistift von gleicher Hand geschriebene Nummern. Bei einem weiteren Blatt zeigten die Reste der Altmontage auffällige Ähnlichkeiten. Diese Beobachtungen lassen den Schluss zu, dass diese acht Surimono (Kat. 102–104, 106, 111, 112, 117, 119) zur einstigen Sammlung Hans-Hasso von Veltheims gehörten. Dass sich bei den anderen 47 als Bodenreform unbekannter Her- kunft inventarisierten Blättern weitere Farbholzschnitte aus der eins- tigen Sammlung Hans-Hasso von Veltheims befinden, ist nicht auszu- schließen. Allerdings gab es nach 1945 einen weiteren Zugang eines Konvoluts von 36 Holzschnitten, das zum Zeitpunkt seiner Übernahme nicht sachgemäß inventarisiert worden war und im Ergebnis jüngster Recherchen als SBZ- bzw. DDR-Unrecht betrachtet werden kann. Heute ist es nicht mehr möglich, genau zu sagen, welche Blätter dies sind. Immerhin konnte aber im Zuge der Erforschung des Konvoluts zum Hintergrund der Übernahme einiges herausgefunden werden. Bei seinen seit 2018 laufenden umfangreichen Recherchen zur Rolle der Moritzburg als zentrale Sammelstelle im Zuge der Boden- reform im Land Sachsen-Anhalt stieß Jan Scheunemann auf Schrift- stücke, 20 die eine Beschlagnahmung und Übereignung von Kunst- und Kulturgut aus Privatbesitz dokumentieren. Aus diesen Unterlagen geht hervor, dass bei einer kriminalpolizeilichen Unter- Abb. 3 Hans-Hasso von Veltheim, 1932

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