Leseprobe
11 suchung im September 1949 in der Wohnung des in Suhl lebenden Handwerkers Julius Lumme (Lebensdaten unbekannt) ein Paket mit Kunstwerken entdeckt wurde, das dessen Bekannte Hildegard Strauß (1924–2017) dort untergestellt hatte. Nach weiteren Aus- sagen Lummes sollten diese Objekte nach Frankreich verlagert wer- den, um sie möglicherweise dort zu verkaufen. In der Wohnung von Hildegard Strauß wurden weitere Kunstwerke entdeckt und sicher- gestellt. 21 Die Befragung Hildegard Strauß’ (Abb. 4) durch Polizei- beamte offenbarte, dass die Werke aus dem Besitz des Malers und Grafikers Herbert Stockmann (1913–1947) stammten und sie diese nach dessen Selbstmord geerbt hatte. Um nicht weiter belangt zu werden, »sieht die Strauss das strafbare ihres Verhaltens ein und hat sich bereit erklärt [die aufgeführten Objekte – Anm. d. Verf.] kosten- los dem Ministerium für Volksbildung des Landes Sachsen-Anhalt zur Verfügung zu stellen«, 22 damit sie als Lehrmaterial für die Burg Giebichenstein – Kunstschule und Werkstätten der Stadt Halle-Saale verwendet würden. 23 Vermutlich sah die Polizei in der von Lumme attestierten Absicht der Verlagerung der Objekte ins Ausland ein Wirtschaftsvergehen gemäß dem zwei Jahre zuvor verabschiedeten neuen Wirtschaftsstrafrecht in der SBZ. Mit dem am 18. Juni 1947 erlassenen Gesetz über die Bestrafung von Wirtschaftsvergehen war es möglich, privaten Besitz auf dem Wege von Strafverfah ren zugunsten des Staates einzuziehen. 24 Die bei großen Schau- prozessen auf dieser Grundlage verhängten Strafen sollten ein hohes Abschreckungspotenzial in der Bevölkerung verbreiten. Bezüglich der Vernehmung der gerade einmal 25-jährigen Hildegard Strauß ist nicht auszuschließen, dass eine entsprechende Drohkulisse auf- gebaut wurde. Das Ministerium überführte die sichergestellten Objekte schließlich nicht an die Kunstschule in der Burg Giebichenstein, sondern an die damalige Landesgalerie Moritzburg – das heutige Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale) – und an die Universitäts- und Landesbiblio- thek. Interessanterweise findet sich zu dieser Überführung in den Inventarbüchern des Museums kein Hinweis bzw. wurden die japani- schen Farbholzschnitte zu diesem Zeitpunkt nicht inventarisiert. Nur bei einer Malerei des 18. Jahrhunderts, die eine Auferstehungsszene darstellt, findet sich im Inventarbuch der Gemälde der Hinweis »1952 Übergabe Herbert Stockmann, Halle«. 1952 war Stockmann aber bereits etwa fünf Jahre tot. Dennoch kann der Hinweis als fehlendes Puzzleteil zu den Dokumenten aus dem Landesarchiv in Magdeburg verstanden werden, denn in dem sichergestellten Kunstgut befand sich auch eine Szene mit der Auferstehung Jesu. So ist anzunehmen, Abb. 4 Auf dem Weg zu einer Ausstellung in Berlin, 1946, v. l. n. r.: Hildegard Strauß, Wolfgang Speer, unbekannt, Johanna Klitsch (spätere Jura), Herbert Lange
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