Leseprobe
132 133 7946 Hz Porträt eines jungen Mannes mit Zigarette Tusche auf Büttenpapier, 7,3 ×6,3 cm Nicht bezeichnet. / Provenienz: Bruun Rasmussen 2014 G anz dem künstlerischen Nachlass Christoffer Wilhelm Eckersbergs folgend, auch einmal das erstbesteMotiv aufzugreifen und auch das Beiläufigste, scheinbar Ver- trauteste mit frischem Blick zu betrachten,2 beschäftigen sich Henningsens fünf Blätter mit dem Alltagsleben. Nur eins von ihnen ist mit 1880 datiert, aber es ist anzuneh- men, dass auch die übrigen Zeichnungen gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sind. So zeigte Henningsen ein reetgedecktes Bauernhaus, halb verdeckt von einemDickicht aus Unterholz und großen Feldsteinen, aber auch einen Garten in brauner Aquarellfarbe, der ein buntes Durcheinander an Gartenutensilien beherbergt. Die drei übrigen Zeichnungen legen schließlich Henningsens Spezialgebiet offen: das Charakterporträt. Wie ein Reporter in einer Menschenmenge erlebte und dokumentierte Henningsen seine Szenen. Grobe Stri- che umreißen die Züge eines jungen, rauchenden Mannes, der den Betrachter skeptisch fixiert. Auch der bärtige Mann beimKegeln, der sich vornübergebeugt auf sein Spiel konzen- triert, blickt ein wenig scheel, als traue er seinen Mitspielern nicht ganz. Der letzte der drei Porträtierten, ein junger Mann, der es sich mit Buch und Pfeife im Lehnstuhl bequem gemacht hat, erscheint dagegen entspannt und zufrieden, ein Eindruck, der möglicher- weise mit seinem eleganten Anzug in Verbindung steht, der auf das Fehlen finanzieller Sorgen hindeuten könnte. Leichtfüßig und locker widmen sich Henningsens Zeichnungen dem Alltag seiner Heimatstadt Kopenhagen und thematisieren die Lebensumstände von Kindern und Alten, Arbeitern und Arbeitslosen. Sein Stil spannte dabei vomNaturalismus bis hin zum»rohen Realismus«.3 Emil Hannover beschrieb Henningsen als »tüchtigen Jour- nalisten«, dessen Malkunst überwiegend als Illustrationskunst zu betrachten sei.4 Sein bekanntestes Werk stellt das Plakat Der durstige Mann von 1900 dar, das im Rahmen eines Wettbewerbs der dänischen Tuborg-Brauerei entstand und auf dem sich ein beleibter Mann den schweißnassen Nacken trocknet. CB 1 Mortensen 1994. 2 Luckow/Zbikowski 2005, S. 25. 3 Schram Vejlby 2011 b, S. 139. 4 Hannover 1907, S. 103.
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