Leseprobe

Johan Adolph Kittendorff D ieses hochformatige Skizzenblatt von Johan Adolph Kittendorff war lange gerahmt; deutlich ist die Verfärbung des Velins am Rand zu erkennen. Ein Mann mittleren Alters lehnt lässig imKontrapost an einemBalken amStrand. Gehstock, einRing am Zeigefinger und der modische Sommerhut verraten, dass es sich umeinen betuchten Som- merurlauber aus Kopenhagen handeln mag. Kittendorff zeichnete das uns räumlich Nahe mit spitzem Bleistift, das sich nach hinten rechts öffnende Meeresufer und die Schiffs- masten am Horizont hingegen mir grober, weicherer Mine. Er generierte so mit einfachen Mitteln optische Unschärfe. Dieses Detail wird wichtig, wenn wir uns die Brille des Porträ- tierten einerseits und die beiden begonnenen Kopfstudien darunter andererseits vergegen- wärtigen. Rechts wurde in wenigen Strichen der schon bekannte Sommerhut ausprobiert, unter dessen Krempe ein halbes Brillengestell mit einemBrillenglas auftaucht. Links dane- ben schaut einMannmit Seemannshut durch ein Fernrohr. Schlussendlich finden wir den Seemann als Kopfstudie , ohne Fernrohr, dafür aber mit auffällig langenWimpern. Jonathan Crary verdeutlichte, wie stark sich die Sehkonventionen in den Jahren veränderten, in denen Kittendorffs Skizze entstand. Nicht nur durch den offensichtlichen Einschnitt der Fotografie, sondern auch durch solche Geräte wie das Stereoskop, das sich denMittelgrund zweier fast identischer Bilder zuNutzemacht, umRäumlichkeit zu generieren.2 Dieses Blatt achtenden Blick für seine Mitmenschen. Seine eigenen Werke, deren Motive er häufig in Dyrehaven oder Strandmøllen fand, sind jedoch zahlenmäßig seinen Radierungen nach Vorlagen anderer Künstler weit unterlegen. Die Liste seiner Kollegen, deren Bilder er kopierte, reicht von großen Namen des Goldenen Zeitalters wie Johan Thomas Lundbye, Martinus Rørbye und Constantin Hansen bis hin zu Malern des späteren Jahrhunderts wie Michael Ancher, Elisabeth Jerichau Baumann oder Julius Paulsen. Kittendorff wirkte in seinem Tun wie ein beflissener Chronist mit dem Ziel, Glanzstunden der dänischen Male- rei des 19. Jahrhunderts festzuhalten und zu deren Verbreitung beizutragen. CB 7965 Hz Fischer am Ufer Aquarell auf Paier, 11,6× 15,5 cm Bezeichnet unten rechts: J. A. Kittendorff Provenienz: Bassenge 2014, Kat.-Nr. A104/6462

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