Leseprobe

76 Er war es auch, der Raffael mit der Konzeption der Familienkapelle in Santa Maria del Popolo beauftragte.4 Wohl zwischen 1513 und 1516 stand zwar das Bildprogramm fest, war jedoch bei Agostinos Tod im April 1520 noch nicht vollendet. Ausgeführt war lediglich das Kuppelmosaik von Aloisio De Pace nach Entwürfen Raffaels mit der Darstellung Gottvater und die acht himm- lischen Sphären . Von ursprünglich zwei geplanten Grabpyramiden an den Seitenwänden der Kapelle war nur die rechte fertiggestellt, sodass der in Agostinos Testament vom 28. August 1519 festgehaltene Wunsch, seine Frau Francesca Ordeasca möge in der gegenüberliegenden Grabpy- ramide ihre letzte Ruhe finden, unberücksichtigt blieb. Es sollte noch einige Generationen dauern, bis die von Agostino gestiftete Kapelle vollendet wurde, denn wie so oft folgte auf den sagenhaften Aufstieg des Emporgekommenen der Fall, und in seinen Nachkommen hatte Agos- tino keine würdigen Nachfolger. Sie verprassten nicht nur das Erbe des Vaters, sondern veräu- ßerten auch seine Villa, die ihm sehr am Herzen gelegen hatte. 1579 wurde das Kleinod für die Summe von 15 000 Scudi an Alessandro Farnese verkauft, mit dessen Name die Villa Farnesina noch heute verbunden ist.5 In Siena, abseits vom römischen Nabel, bestand der Familienzweig aber fort. Und dort wurde am 13. Februar 1599 Fabio Chigi in die Bankiersfamilie hineingeboren. Nach seinem Philosophie-, Jura- und Theologiestudium in Siena zog es den aufgeschlossenen jungen Mann nach Rom, wo er sich zunächst in Intellektuellenkreisen bewegte, bevor er eine mustergültige kirchliche Lauf- bahn begann. Sie führte ihn zuerst nach Ferrara, wo er 1629 den Posten eines Vizelegaten erhielt. Unter Urban VIII. wurde er sechs Jahre später zum Bischof von Nardò geweiht und anschließend als Inquisitor nach Malta beordert. Aufgrund seiner klugen, besonnenen und diplomatischen Natur erkor ihn der Papst zum Nuntius in Köln und beauftragte ihn, als päpstlicher Gesandter bei den Verhandlungen zum Abschluss des Westfälischen Friedens tätig zu werden. Doch konnte er bei diesem wichtigen Kongress trotz seiner Fähigkeiten eine Abkühlung des Verhältnisses zu Spanien und zu Frankreich nicht verhindern und den Machtverlust des Papsttums letztlich nicht mehr aufhalten.6 Die Zeit in Münster (1644–1649) offenbarte eine weitere Facette des talentierten Klerikers. Zum einen veröffentlichte der Diplomat Wilhelm von Fürstenberg Chigis Jugendgedichte und seine Tragödie Pompeius , zum anderen entstanden in dieser Zeit neue Gedichte, die vor allem lesenswert sind, wenn sie deutsche Eigenheiten wie Pumpernickel, Regenwetter, Trachten und Trinksitten behandeln.7 Seinen literarischen Interessen ging Fabio auch noch nach, als er – nach einem kurzen Zwischenstopp in Aachen – nach zwölf Jahren wieder römischen Boden unter den Füßen hatte und 1652 erst zum Kardinal ernannt und 1655 dann zum Papst gewählt wurde. Als Alexander VII. machte er sich vor allem als Mäzen einen Namen und förderte Kunst und Literatur. Im Gegensatz zu seinem unmittelbaren Vorgänger, Innozenz X., knüpfte er damit an die Tradition kunstliebender Päpste wie Leo X. oder Urban VIII. an. Die enge Zusammenarbeit des Letztgenannten mit Bernini zeigt, zu welcher künstlerischen Entwicklung und erstaunlichen Gestaltungskraft päpstliche Protektion anregen konnte. Kaum verwunderlich, dass Bernini, nachdem er zwischenzeitlich seine Stellung als bevorzugter päpstlicher Architekt und Bildhauer verloren hatte, im kunstsinnigen Fabio Chigi erneut einen Förderer und Freund fand, in dessen Dienst er sein Genie stellen konnte. Der renommierte Künstler und sein Auftraggeber trugen mit Großprojekten wie der grandiosen Anlage des Petersplatzes und, damit verbunden, dem Bauvorhaben der Scala Regia, der Realisierung der Cathedra Petri oder der Umgestaltung der Piazza Minerva wesentlich zur barocken Neugestaltung der Stadt Rom bei.8

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