Leseprobe

79 demjenigen der Brüder Mario und Agostino. Soeben aber schmückt derselbe Papst die von mir beschriebene, sehr große Altartafel und die anderen Bilder mit einem Rahmen, der von Bronze und Gold funkelt. All dies hat er noch als Kardinal erwogen, nachdem er von einer langen Gesandtschaft nach Rom zurückgekehrt war, wie auf dem Sarkophag die größer geschriebenen Buchstaben gemahnen: M ORS A D C OE L OS I TER, also im Jahr MDCLI , bevor er selbst ins Heilige Kollegium gewählt wurde und die Kapelle vollendete.«10 Berninis eigenständiger Beitrag zur Ausstattung der Kapelle war zunächst das nach seinen Entwürfen ausgeführte Bodenmosaik mit der Darstellung eines wappentragenden Skeletts (Abb. 18). Kurz nach der Wahl Fabio Chigis zum Papst vervollständigte Bernini mit den Skulpturen des Propheten Daniel (ca. 1656/57, Abb. 56) und der Gruppe Habakuk und der Engel (ca. 1656–1661, Abb. 57) das Gesamtensemble der Kapelle und hatte damit künstlerisch und programmatisch einen Weg eingeschlagen, den er bei der Gestaltung des Alexandergrabs im Petersdom (Abb. 15) zu Ende ging.11 Waren Fabio Chigis Bemühungen um die Familienkapelle ursprünglich wohl mit der Inten- tion verbunden, dort selbst bestattet zu werden, änderte sich die Motivation mit seiner Papstwahl. Was blieb, war die Fertigstellung einer der vornehmsten und kunstvollsten Kapellen in einer der wichtigsten Kirchen Roms, in der seine Familienmitglieder ihre ewige Ruhe fanden. Wie wich- tig die Bedeutung der Familie für sein Pontifikat war, zeigt sich auch in der Berufung seiner Verwandten in kirchliche Ämter. Dabei hatte Alexander VII. dem geläufigen Nepotismus zu Beginn seiner Amtszeit kritisch gegenübergestanden,12 denn diese seit Jahrzehnten gängige Praxis, die nahen Verwandten exzessiv mit wichtigen Ämtern, Besitztümern, Titeln und Bezügen auszustatten, hatte zur beinahe völligen Zerrüttung der päpstlichen Finanzen geführt. Die wirt- schaftliche Situation des Kirchenstaats stellte sich nach den Pontifikaten und Amtszeiten der Familien Aldobrandini (Clemens VIII.), Borghese (Paul V.), Ludovisi (Gregor XV.), Barberini (Urban VIII.) und Pamphilj (Innozenz X.) als katastrophal dar, und das Volk wie auch Kirchen- kritiker hatten dieses Gebaren satt. Es spricht für Alexander VII., das Übel (für die päpstlichen Kassen) erfasst zu haben und dem entgegentreten zu wollen. Nur hielt seine Entscheidung und anfängliche Entschlossenheit den realpolitischen Gegebenheiten nicht stand, und bereits nach einem Jahr im Amt setzte er den Nepotismus fort, brachte seine Verwandten in Schlüsselstellungen und versorgte sie mit römischen Pfründen. Den venezianischen Botschafter in Rom, Pietro Basa- donna, veranlasste dies zu der Bemerkung: »Die erste, bejubelte Handlung des neuen Pontifex war es, mit großer Entschlossenheit die Verwandten auszuschließen. Bei Bekanntgabe des so ersehnten Dekrets freute sich alle Welt.« Doch hielt die Freude nicht lang »[…] und es kam nach Rom nicht ein Bruder, nicht ein Neffe, sondern förmlich eine Springflut von Chigi, was einen umso schlim- meren Eindruck machte, als sie, im Fall ihres Erscheinens gleich bei Pontifikatsbeginn von der Gewohnheit entschuldigt und als längst vertrautes Übel betrachtet worden wären, nun aber, nach- dem der Arzt Genesung versprochen hatte, die Neuigkeit des Todes umso erstaunlicher erschien«.13 Dass weniger persönliche Schwächen des Papstes als vielmehr strukturelle Ursachen dazu geführt hatten, zeigt auch der Umstand, dass bis zur antinepotischen Bulle von 1692 und der verordneten Abschaffung des Kardinalnepoten und Restriktion des Nepotismus durch Papst Innozenz XII. (Pignatelli, 1691–1700) noch einige Jahre vergehen sollten. 1665 kamen mit Zustimmung des Kardinalskollegiums der Bruder Alexanders VII., Mario (1594–1669), und dessen Sohn Flavio (1631–1693) nach Rom sowie zwei weitere Neffen, Agostino (1634–1705) und Sigismondo (1649–1678), die die Söhne von Augusto (1595–1661), dem Bruder Fabios und Marios, waren. Mario Chigi, der in Siena eine Beamtenkarriere in der Verwaltung

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1