Leseprobe

53 Die »Hexenküche« der Künstlergemeinschaft SPOG Der Grafikboom während der Weimarer Republik Damit fällt das Vorhaben der druckgrafischen Experimente von SPOG in einen Zeitraum, in dem der Kunstmarkt florierte und vor allem während des Ersten Weltkrieges bis zum Ende der Weimarer Republik nie gekannte Spitzenpreise erzielte. 9 Berlin hatte sich seit 1871 zur führenden Kunstmetropole Deutsch‑ lands etabliert. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung der Gründerjahre erlangte vor allem das Groß‑ bürgertum einen enormen Reichtum, den man gerne in Kunst anlegte und präsentierte. So entstanden in diesen Jahren auch viele qualitativ hochwertige Privatsammlungen. 10 Im Umfeld von Slevogt wären hier unter anderem der Bankprokurist Carl Steinbart zu nennen, der in seiner umfangreichen Kunst‑ sammlung zeitgenössischer Werke alleine ungefähr 70 seiner Gemälde zusammentrug, oder auch der Kaufmann und Pferdezüchter Leo Lewin, der ebenso zahlreiche Gemälde und Zeichnungen von Slevogt sowie von Max Liebermann erwarb und sich und seine Familie – wie es auch Steinbart tat – von diesen porträtieren ließ. Grünberg selbst bedauerte in seinem Skript zu SPOG sehr, dass er mit seinen eher bescheidenen finanziellen Mitteln nie Blätter der großen Grafiker Dürer, Goya und Rembrandt besitzen werde, aber leider auch nicht in der Lage sein werde, aufgrund der beschränkten Auflagen und der damit verbundenen hohen Preise Blätter von modernen Künstlern erwerben zu können. 11 Günther Koch stellte in seinemWerk über den Kunsthandel bereits 1915 fest: »Der Absatz von Kunstwerken ist heute jedenfalls größer als in den letztvergangenen Zeiten, ja man muß bis in die Niederlande des 17. Jahrhunderts zurück‑ gehen, um eine so allgemeine Kunstfreudigkeit wiederzufinden.« 12 Auch das Sammeln von Grafiken erlebte einen wahren Boom. Vor allem die rege Ausstellungstätig‑ keit der zahlreichen, zum Teil neu gegründeten Kunstsalons und Kunstvereine löste diese Grafik-Begeis‑ terung aus. Durch Handsignaturen der Künstler und eine Nummerierung der Auflage wurden die Original- Druckgrafiken nun veredelt und zu seltenen Sammlerstücken erhoben; ein Verfahren, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts eher noch unüblich war. Aber auch Mappenwerke und mit Originalgrafiken üppig aus‑ gestattete Bücher wurden eigens für die Sammler herausgebracht. 13 Es entstand ein sehr ausdifferenzier‑ tes Angebot von Originalgrafiken, das sich in Vorzugsausgaben (in der Regel erste Abzüge von unverstähl‑ ten Platten), unterschiedliche A-Ausgaben (für die nächsten 20 bis 25 Drucke) und teilweise B-Ausgaben (für die folgenden etwa 120 Abzüge) staffelte. 14 Für jede der Ausgaben wurde gerne unterschiedliches Papier verwendet. All dies spiegelte sich im Verkaufspreis wieder. Bruno Cassirer, Verleger von Slevogt und Orlik, war dabei einer der führenden Köpfe, der innovativste Ideen umsetzte und auch Slevogt immer wieder zu gemeinsamen Projekten animierte. Slevogt musste zum Signieren der zahlreichen Lithografien oder teuren, mit Originalblättern ausgestatteten Vorzugsausgaben oft im Verlag erscheinen, eine Tätigkeit, die er sehr ermüdend fand – mussten doch mitunter Hunderte von Einzelblättern signiert werden. Aus diesem Grund reduzierte er seinen Namen auf ein ornamentähnliches Kürzel, das er mit nur drei Linien auf das Papier bringen konnte. Um den Prozess zu beschleunigen, wurden ihm die Grafiken von einem Mitarbeiter des Verlags vom Stapel weggezogen und auf einen fertigen Haufen gelegt. 15 Die Preissteigerungen bis zum Ende der Weimarer Republik spiegelten sich auch in den Verkaufs‑ preisen von Slevogts Werken wider, wobei ein direkter Vergleich sehr schwierig bleibt. Die Verkaufspreise unterschieden sich stets in Abhängigkeit von Aufwand, Motiv und Format des ausgeführten Gemäldes bzw. der Grafik. Bei Druckgrafiken ist es noch schwieriger, da in seinen Aufzeichnungen oft Konvolute notiert sind bzw. Grafikfolgen verkauft wurden, sodass nicht der Preis für ein einzelnes Blatt festgehalten wurde. Zudem sind Slevogts Notizen sehr lückenhaft, und die Auswertung seiner überlieferten Rech‑ nungsbücher und der in den vorhandenen Bilderlisten vereinzelt notierten Preise bedürften einer eigenen ausführlichen Untersuchung. Dennoch sind die folgend exemplarisch genannten Verkaufspreise auf‑ schlussreich: So kostete beispielsweise das Gemälde Porträt des Direktors Bernhard Dernburg (Abb. 3) im Abb.3 MAX SLEVOGT PORTRÄT BERNHARD DERNBURG 1904, Öl auf Leinwand, 129× 103 cm, signiert und datiert, Dauerleihgabe, Inv.‑Nr. DL 2018/2 9 / M. Hopp (2012), S. 25–27; E. Juntu- nen (2016), S. 167. 10 / A. Enderlein (2006), S. 31. 11 / J. Grünberg (1929), S. 3. 12 / G. Koch (1915), S. 477. 13 / G. Brühl (1991), S. 192. 14 / E. Jun- tunen (2016), S. 171. 15 / K. Scheffler (2011), S. 103.

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