Leseprobe
98 Briefwechsel von Max Slevogt und Josef Grünberg Das früheste erhaltene Zeugnis aus dem Schriftverkehr zwischen Josef Grünberg und Max Slevogt für die Künstlergruppe SPOG stammt vomMärz 1921. 1 Max Slevogt, Emil Orlik, Josef Grünberg sowie seltener Bernhard Pankok widmeten sich gemeinsam der Entwicklung neuer Drucktechniken und -effekte, die insbesondere durch Grünbergs Erfindung einer neuartigen Druckpresse möglich wurden. Diese Experi‑ mente wie auch die Arbeiten an der Weiterentwicklung der Presse sind die zentralen Themen des ver‑ gleichsweise dichten Schriftverkehrs zwischen Slevogt und Grünberg in den folgenden Jahren. Slevogt interessierte sich in dieser Zeit sehr für die verschiedenen Techniken der Druckgrafik, vor allem der Radierung und der Lithografie. Er hatte sich auf Neukastel eine Werkstatt mit den dafür not‑ wendigen Druckerpressen eingerichtet. Die dort entstandenen Grafiken sind mit dem markanten Turm von Neukastel als Blindstempel gekennzeichnet (Abb. 1, S. 99). Ihm kam es dabei vor allem darauf an, bei den Drucken eine größere Tonigkeit zu erreichen. 2 Sein Schwager Walter Finkler, in den Briefen auch »Onkel« tituliert, erlernte seit 1921 in Berlin bei den Druckern Sabo und Fälsing die dazu notwendigen Techniken und konnte Slevogt bei seinen Druckprojekten unterstützen. 3 Demgegenüber wurden die Experimente von SPOG durch Slevogts lange und regelmäßige Abwesenheit von Berlin oft erschwert. Das Material für Slevogt, wie die von Grünberg vorbereiteten Platten aus ver‑ schiedenen Materialien, und umgekehrt die fertigen Vorlagen mussten jeweils auf dem Postweg zwischen Berlin und Neukastel verschickt werden. Da Slevogts Gut in der seit 1918 von den Franzosen besetzten Pfalz lag, mussten die Sendungen dabei jedes Mal den Zoll zum Deutschen Reich passieren. Die Auflagen für Postsendungen waren teilweise sehr streng. Sie wurden vor allem in der Folge der Ruhrbesetzung, mit der Frankreich im Januar 1923 auf die ausbleibenden Reparationszahlungen des Deutschen Reiches reagiert hatte, noch verschärft. Auf die darauf folgenden Streiks und Unruhen – auch in der Pfalz – reagierte die französische Besatzung durch weitere restriktive Maßnahmen, sodass der gesamte Post- und Telefonverkehr mehrfach sogar ganz unterbrochen wurde und es zu erheblichen Verzögerungen bei der Zustellung kam. In einem Brief von Ende November 1923 (Brief-Nr. S 7) berichtet Slevogt denn auch, dass eine Kiste mit Druckmaterialien, die im Frühjahr von Berlin abgeschickt worden sei, erst jetzt zugestellt wurde. Im gleichen Schreiben schildert er eine Lösung für kleinere Sendungen, wie beispielsweise die von Slevogt gewünschte Zahnpasta Doramad. Sie wurden an Freunde oder Bekannte jenseits der Grenze geschickt, beispielsweise an Franz Josef Kohl, den späteren Sammler Kohl-Weigand, der zu dieser Zeit in Mannheim wohnte. Diese fanden dann Wege, die Sendungen durch den Zoll nach Neukastel zu bringen. Wohl als Folge der wachsenden Inflation beklagte sich Slevogt sogar über den Mangel an Lebensmitteln. In dieser Zeit widmete sich Josef Grünberg nicht nur der Entwicklung einer hydraulischen Presse und den Druckexperimenten mit den verschiedensten Materialien, 4 er plante außerdem eine Veröffentlichung zu den technischen Möglichkeiten seiner Erfindung. Das Manuskript dazu hat sich in den Nachlässen Grünberg und Slevogt im GDKE, Landesmuseum Mainz in mehreren Exemplaren erhalten, die zum Teil mit Korrekturen versehen sind. Darin sind auch die in den Briefen häufig erwähnten Versuche mit der Druckerpresse ausführlich beschrieben. Das Buch sollte unter dem Titel »Grafische Experimente« bei Bruno Cassirer erscheinen. Schon am 21. Juni 1921 brachte Cassirer in einem Brief an Josef Grünberg sein Interesse an der Publikation der »graphischen Versuche« zum Ausdruck, von denen ihm Slevogt gesagt habe, dass sie beendet seien. 5 Hier kann es sich nur um ein vorläufiges Ende der Experimente gehandelt haben, denn tatsächlich gingen diese – zusammen mit der Weiterentwicklung der Presse – noch bis etwa 1928. Ende 1922 schien sich das Projekt zu konkretisieren, wie mehrere Schreiben von Bruno Cassirer an Max Slevogt bezeugen. 6 So berichtet er am 10. November 1922: »AmMittwoch bin ich mit Grünberg zusammen, ummit ihm alles Nähere über die Grünberg-Presse zu besprechen.« Und am 20. November 1922: »Was machen die Radie‑ rungen, ich höre, dass auch Grünberg eine Serie Platten Ihnen geschickt hat. Mit Grünberg war ich neu‑
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