Leseprobe

13 »Verehrter Meister!« – »Sklaventreiber« – »Lieber Freund« dann in der ebenfalls nahe gelegenen Stülerstraße 13. 5 Zwischen dem kleinen Ort Leinsweiler in der Pfalz und der Reichshauptstadt pendelte der Künstler seit seinem Umzug von München nach Berlin im Spät‑ herbst 1901. 6 Nach München war der in Würzburg aufgewachsene Slevogt durch sein Studium an der Akademie der Bildenden Künste (ab 1884) gekommen und hatte sich folgend dort als freier Künstler einige Jahre durchgeschlagen. Die Entscheidung, in die aufstrebende Kunstmetropole Berlin und das Umfeld der Künstlervereinigung der Berliner Secession zu wechseln, fiel ihm nicht leicht. Meist verbrachte er die Sommermonate und den Herbst auf seinem Landgut und war ab dem Winter wieder in Berlin. 7 Lange unterbrochen wurde dieser Rhythmus nur aufgrund der massiven Ausreisebeschränkungen der französischen Besatzung der Pfalz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Zeitgleich erschütterten Stra‑ ßenkämpfe und politische Unruhen immer wieder die Reichshauptstadt. Im Gegensatz zu der Großstadt Berlin war sein Landgut eine abgeschiedene Oase, deren Ruhe und Vertrautheit Slevogt genoss. In den 1920er Jahren baute er sie nach seinen Vorstellungen um und malte Neukastel mit prächtigen Fresken aufwendig aus. Slevogts Lebensrhythmus war zeitweise auch bedingt durch die Schulpflicht seiner beiden Kinder Nina und Wolfgang, die in Berlin zur Schule gingen. 8 Die Korrespondenz mit seinem Freund Grünberg war für Slevogt auch stets wichtig, um Neuigkeiten zu erfahren. So schreibt er an Grünberg: »Es ist komisch, wenn man keine Zeitungen liest, u. so abseits lebt, daß man harmlos an seinen Kunstproblemen schmiedet, wie wenn dies das wichtigste [sic] wäre.« 9 Dennoch geht es in den Briefen nur wenig um politische Ereignisse, sondern vielmehr um die persönliche Situation, eigene Projekte, Bitten um Zusendungen von benötigtem Material und natürlich die gemein‑ samen druckgrafischen Experimente der SPOG-Gruppe. In den letzten Jahren war zudem der angeschla‑ gene Gesundheitszustand aller ein großes Thema – ein Aspekt, der zeigt, welch intimes Verhältnis die langjährigen Freunde über die vielen Jahre hinweg entwickelt hatten. Josef Grünberg – Zahnarzt, Grafiksammler und »Hexenmeister« Wie sich Max Slevogt und Josef Grünberg kennenlernten bzw. seit wann Slevogt bei ihm in Behandlung war, ist leider nicht überliefert. Grünberg war ein bedeutender Berliner Kieferorthopäde und Zahnarzt (Abb. 2); leider ist nur wenig zu seiner Biografie bekannt. 10 Geboren wurde Josef Grünberg in Spitznitzy, einem ganz kleinen Dorf in der Ukraine im Distrikt (Oblast) Chmelnyzkyj. 11 Wo er seine erste medizinische Ausbildung erhalten hat, bleibt allerdings unklar. Barbara Wolff vermutet, dass er spätestens 1904 Albin Oppenheim am Institut für Fortbildungskurse in den Fächern der operativen, prothetischen und ortho‑ pädischen Zahnheilkunde kennengelernt hat, das der Berliner Zahnärztlichen Poliklinik angeschlossen war und von Alfred Körbitz geleitet wurde. In Berlin ansässig war Josef Grünberg nachweislich seit 1905. Um sich fortzubilden, fuhr er in diesem Jahr zum ersten Mal in die Vereinigten Staaten von Amerika. 12 1 / Der Name »SPOG« setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der Beteilig- ten zusammen: Dies waren Max S levogt, Bernhard P ankok, Emil O rlik sowie Josef G rünberg. J. Grünberg (1929), S. 2. Zu SPOG vgl. ausführlich den Beitrag »Hexenküche« von K. Feul- ner in diesem Band. 2 / Eine Post- karte schrieben Slevogt und Orlik auch gemeinsam an Grünberg. Vgl. Brief- Nr. S 11. 3 / BK Edenkoben (2009), S. 17 und 26. 4 / Dass sich die beiden oft trafen, belegt beispielsweise Slevogts Taschenkalender von 1930, vgl. GDKE, Landesmuseum Mainz, Inv.‑Nr. DL SL NL 2013/15. 5 / Vgl. Brief-Nr. G 21. 6 / Vgl. K. Feulner (2021), S. 1–17. Bevor er Neukastel 1914 aus dem Besitz seiner Schwiegereltern erwarb, verbrachte er die Zeit in der Pfalz auch oft in der Villa seiner Schwiegereltern in Godram­ stein. 7 / Darauf lassen die Poststem- pel der Briefe schließen. 8 / Vgl. Brief- Nr. S 5 und Brief-Nr. S 17. 9 / Vgl. Brief- Nr. S 28. 10 / Laut seinem Briefkopf titulierte er sich selbst als Zahnarzt. Vgl. Briefkopf einer Postkarte an Nina Slevogt vom 21. Juni 1923 (Poststem- pel), GDKE, Landesmuseum Mainz, Inv.‑Nr. DL SL NL 2014/24. 11 / Für die Angaben zur Biografie von Josef Grünberg danke ich sehr herzlich Bar- bara Wolff, Albert-Einstein-Archiv, Jerusalem, Israel, welche die Angaben recherchierte. Der Geburtsort wird in dem Berliner Sterberegisterein- trag genannt. 12 / Vgl. Nachruf von F. B. Noyes in der Zeitschrift »The Angle Orthodontist«, Juni 1932, S. 186–187.

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