Leseprobe
5 Trockenspitze und Säurebad Zeichnen ist die Voraussetzung. Aber dann gibt es bei den grafischen Techniken und Materialien – hier der Radierung – die Nadeln, die Säure, Kupfer, Zink, Alumi nium, Kunststoffe, sogar Karton für ein bis drei Drucke. Das heißt, das Material hat selbst Willen und Möglichkeiten: Die Ätzung hat die gleitende Linie, – mein Rem brandt – Matisse. Ätzungen in einfachen Stufen sind Tonätzung, gleich Aquatinta, bis zur Reservage. Die Kaltnadel, italienisch »la puntasecca« – »Trockenspitze«, hat die Art, das Material zu ritzen, zu verletzen. Daraus folgt die innere Einstellung zu Anlass und Anwendung, zu kurzen Entschlüssen, aus Wut ist die gesteuerte Verletzung einer Platte geraten. Aber auch »Schraffierer« können mit der Linien ätzung und der Kaltnadel etwas erzeugen. Samt oder Dramatik kann mit Beteiligung der Aquatinta wirken. Mit dem Drucker bereite ich das Säurebad scharf oder schwächer und stelle den Zeitwecker. Ich nehme die Platte aus der Säure, prüfe den Ätzvorgang und decke Teile ab, wenn nötig oder gewollt. Ätzen in Stufen. Ätzen mit Salpetersäure auf Zink ist ein kürzerer Ätzgang, als zum Beispiel Eisen-III-Chlorid auf Kupfer einwirken zu lassen. Bei der Ätzung ist es so, als würde noch jemand mitmachen, das Material hat Eigenschaften! – Mir fällt die Pfannkuchenbäckerin von Rembrandt ein. Da ist die Kupferplatte nach dem ersten Ätzgang und der Abdeckung der umgeben den Figuren für die Verstärkung der Bäckerin im Zentrum noch einmal in das Säurebad gegeben worden. Alle verschiedenen Ätztechniken sind untereinander und auch mit Kaltnadel kom binierbar, dabei kommt es auf die künstlerischen Ziele und den erstrebten Ausdruck an. Die Radierung hat einen großen Variationsreichtum. – Aber es ist auch so, dass man in bestimmten Phasen der Arbeit bei einer Technik bleibt. Man denkt dann in Radierung, ein andermal in Lithografie und so fort. Dieter Goltzsche Über den Wassern 2007|Kaltnadel/Zink | 30 × 25,9 cm|Nr. 1347
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