Leseprobe

800–1000 22 Von der Urgeschichte über das Mittelalter bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts Archäologische Funde Die Anwesenheit slawischer Bevölkerung im Vogtland ist nur durch wenige archäologische Funde belegt. Bei den beiden ältesten Objekten handelt es sich um Keramik, zum einen um die Randscherbe eines Gefäßes mit ty- pisch slawischer Kammstrich-Wellenzier, gefunden 1922 beim Bau des Elsterbads in Oelsnitz, zum anderen um eine Randscherbe mit slawischen Verzierungen, welche im Bereich des Plauener Komturhofs in den Schwemm- schichten der Syra entdeckt wurde. Beide Scherben- funde werden in die Zeit zwischen 800 und 1000 n. Chr. eingeordnet. Ins 10. bis 11. Jahrhundert wird ein Grab- fund, ein bronzener Schläfenring, datiert, der schon 1873 beim Bahnbau in Straßberg zutage trat. Bei Gleis- bauarbeiten war ein slawisches Skelettgräberfeld an- geschnitten worden. Von den dabei gemachten Funden (darunter auch ein eisernes Messer und einige braune Tonperlen) hat sich leider nur der Schläfenring bis heute erhalten. Die beiden jüngsten Funde stammen aus Plauen. 1954 wurde in Plauen-Kleinfriesen vor einem Felsen am Ostrand eines bewaldeten Höhenrückens in der Nähe der B 173 ein Scherbenfund geborgen. Die Verzierungen der Randscherben legen eine Datierung der Fundstücke in die spätslawische Periode, in das 11. und 12. Jahr­ hundert nahe. Der bislang allerjüngste slawische Fund steht wieder im Zusammenhang mit einem Friedhof. 2005 wurden innerhalb des Konventsgebäudes im Kom- turhofgelände vier Bestattungen entdeckt, die zum Teil durch das im 13./14. Jahrhundert errichtete Konvent­ gebäude gestört waren. Dieser Umstand sowie die an- getroffene West-Ost-Orientierung der Toten (der Kopf lag jeweils im Westen) und die Grabbeigaben (unter anderem sieben bronzene Schläfenringe) sprechen für eine Datierung der Beisetzungen am Ende des 12. oder am Anfang des 13. Jahrhunderts, also in die Zeit nach dem Bau der Johanniskirche. Bei all diesen Funden handelt es sich um Grab- oder Einzelfunde. Siedlungsfunde (wie Hausgrundrisse und Ähnliches) traten bis heute nicht zutage. Dabei ist aber zu bedenken, dass die für die Slawen günstigen Wohn- lagen diejenigen waren, die bis heute von Bebauung erfasst sind. Hier gestaltet sich der archäologische Nachweis generell sehr schwierig, die Fundarmut dürfte in hohem Maße den späteren Überbauungen und/oder der achtlosen Beseitigung der Funde geschuldet sein. Auffällig bleibt das Fehlen slawischer Burgwälle im säch- sischen Vogtland. Siedlungs- und namenkundliche Nachweise Die überlieferte Menge von slawischen Orts- und Flur- namen ist deutlich größer als die Anzahl der archäolo- gischen Funde, wenngleich die Erstnennungen deutlich später erfolgten. Bemerkenswert ist das Fehlen slawi- scher Ortsnamen im Oberen Vogtland (um Adorf) und im Ostvogtland (um Auerbach). Neben den rein slawischen Ortsnamen wie Chriesch- witz, Kürbitz, Netzschkau, Oelsnitz, Plauen oder sla- wisch-deutschen Mischnamen wie Sachswitz und Zauls­ dorf existiert auch eine Reihe slawisch geprägter Flur- und Flussnamen (unter anderem Syra und Göltzsch). Zusätzlich ist die Fluranordnung in etlichen Ortschaften auf dem Prinzip der Blockflur ein ernstzunehmender Hinweis auf eine slawische Gründung. Unklar bleibt bis heute, wann und von wo die slawi- sche Zuwanderung ins sächsische Vogtland erfolgte. Von der Forschung werden zwei Herkunftsgebiete für besonders wahrscheinlich gehalten : zum einen das heutige Nordostbayern, also Oberfranken, wo slawische Bevölkerung schon seit der Karolingerzeit fassbar ist (schon ab 793 entstanden zu ihrer Missionierung auf Anordnung Karls des Großen 14 sogenannte Slawen­ kirchen), und zum anderen Thüringen und Nordost­ sachsen, wo auch größere slawische Siedlungsgebiete bestanden. Politisch-territoriale Entwicklung im 12. und 13. Jahrhundert Aus der Zeit vor 1122 liegen keinerlei Nachrichten vor, wie das Vogtland herrschaftlich-politisch organisiert war. Das Fehlen von slawischen Burgen im Vogtland – wie sie zum Beispiel aus den slawischen Siedlungsgebieten in der Lausitz oder aus dem mittleren Sachsen bekannt sind – führte zu der Vermutung, dass es im Vogtland keine eigenständige slawische herrschaftlich-politi- sche Organisation gab. Im 10. Jahrhundert dürfte der Einfluss der Zentral- macht, das heißt in diesem Fall der Einfluss der Könige und Kaiser aus (nieder-)sächsischem Haus (Ottonen) noch nicht das Vogtland erreicht haben. Zwar ließen sie mit der Gründung der Bistümer Zeitz im Jahr 968 (1028 ② Slawische Schläfenringe, gefunden 2005 im Konventsgebäude des Komturhofs, vermutlich Ende des 12. oder Anfang des 13. Jahrhunderts © Landesamt für Archäologie Sachsen, Ursula Wohmann

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