Leseprobe

95 Städtisches Leben und wirtschaftliches Wachstum Die nach dem großen Brand von 1548 wiederaufgebaute Stadt nahm eine gute Entwicklung, die sich auch in der Vergrößerung ihres Besitzstandes durch den Erwerb von Gütern, Gehölzen und Grundstücken zeigte. Durch den Dreißigjährigen Krieg, der Plauen trotz der Frie- densbemühungen Kurfürst Johann Georgs I. sehr zu- setzte, traten dann wieder Verluste auf. So musste sie etwa das 1590 von der Familie Rabe erworbene Ritter- gut Reusa 1627 an Christoph von Winckelmann auf Un- terlosa veräußern. Ebenso verhielt es sich mit dem 1614 von Kurfürst Johann Georg I. erkauften, schon einmal pachtweise von 1578 bis 1602 innegehabten Rittergut Reinsdorf, das sie 1635 an Joachim von Reibold auf Neundorf verkaufen musste. Bezeichnenderweise nahm sie aber davon zwei Tagewerke auf der Hofwiese aus, die zum Bleichen der Schleier weiter genutzt wer- den sollten. Im Zuge einer Erbteilung unter Johann Georgs vier Söhnen gehörte Plauen mit dem Vogtländischen Kreis von 1657 bis 1718 zu dem dabei entstandenen, vom Kurfürstentum gleichwohl noch in Abhängigkeiten ste- henden Sekundogeniturfürstentum Sachsen-Zeitz. Die unter August dem Starken, König von Polen und Kur- fürst von Sachsen, durch den Vogtländer Johann Adam Zürner durchgeführte erneute Landesaufnahme fand in Plauen 1725 sichtbaren Ausdruck in der Setzung einer Distanzsäule. Unter weiteren Kriegen hatte die Stadt zu leiden – dem Nordischen Krieg in den Jahren 1706 und 1707 und dem Siebenjährigen Krieg von 1756 bis 1763. Hinzu ka- men immer wieder Brände, Naturkatastrophen, Hun- gersnöte und Seuchenzeiten. Für Unruhe sorgten zeitweilig Krisenzeiten durch innerlutherische Auseinandersetzungen, die im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts mit dem Einfluss reformier- ten beziehungsweise calvinistischen Gedankenguts in Verbindung standen, das nach Kurfürst Augusts Tod 1586 unter seinem Sohn Kurfürst Christian I. auch staat- liche Förderung erfuhr. Nach seinem Tod 1591 setzte sich die lutherische Orthodoxie durch. Im Dreißigjähri- gen Krieg blieb der lutherische Status trotz der Bemü- hungen der vom Kaiser geförderten Gegenreformation gewahrt, während sie etwa im benachbarten Böhmen zur Vertreibung von Protestanten führte. In großer An- zahl kamen Exulanten auch ins Vogtland. Im Auf und Ab der wirtschaftlichen Entwicklung, die über Manufakturen auf die Industrialisierung zusteu- erte, stand gegen Ende des 18. Jahrhunderts die so- genannte Goldene Zeit Plauens, in der ein vermögen- der Baumwollwarenhändler wie Johann Christian Baumgärtel im Volksmund mit dem Beinamen »Fürst von Plauen« belegt werden konnte, und Kaufleute wie Carl Heinrich Höffer oder Johann George Eichhorn Rit- tergüter erwarben. Städtisches Leben und wirtschaft­ liches Wachstum Das Stadtregiment Plauen war am Ende des 16. Jahrhunderts strukturell immer noch eine Kleinstadt mit etwa 3 000 Einwohnern und ländlichem Gepräge. Andererseits wuchs das Selbstbewusstsein des Bürgertums mit zunehmendem wirtschaftlichem Erfolg, da die Stadt das bedeutendste Handelszentrum der Region darstellte. Deutlich sicht- bar wird das in Sebastian Münsters Kosmografie von 1598, in der Plauen es sich leistete, neben der Abbildung vier Seiten Text zur Stadt selbst zu beauftragen, wo- gegen Chemnitz und Dresden nur je eine halbe Seite des Buches gewidmet war. Dagegen verlief das 17. Jahrhundert nach anfängli- chem Erblühen der Baumwollweberei weniger günstig. Der Dreißigjährige Krieg mit all seinen Auswirkungen, wie dem Darniederliegen von Gewerbe und Handel, so- wie mehrere Stadtbrände schadeten der wirtschaftli- chen Entwicklung Plauens sehr. Nur langsam konnten die geschlagenen Wunden verheilen. Erst im 18. Jahr- hundert begann der wirtschaftliche und gesellschaft- liche Aufstieg der Stadt wieder. Die Zahl der Einwohner betrug in der Mitte des 18. Jahrhunderts circa 4 000. Die Verwaltung der Stadt wurde nach den im Spät- mittelalter entstandenen Strukturen weitergeführt. Die Zahl der Ratsmitglieder war jedoch zurückgegangen. 1749 wurden der sitzende und ruhende Rat aufgehoben und in ein ständiges Ratskollegium von sechs (später fünf) Personen umgewandelt. Dessen Vorsitz hatten zwei Bürgermeister, von denen jedoch nur jeweils einer im jährlichen Wechsel das Amt ausübte. Auf kurfürstli- chen Befehl gehörte ab 1782 dem Ratskollegium auch ein Vertreter der Kaufmannschaft an, als Ratsherr – so- genannter Senator – besaß er Sitz und Stimme. Einen Einblick in den Alltag der Stadt vermitteln Schriftstücke einer Akte des Stadtarchivs. Darin blieben Polizeiordnungen sowie Bekanntmachungen des 18. Jahrhunderts erhalten. Die Erlasse erfolgten schon im Mittelalter – mündlich durch Ausrufe sonntags nach dem Kirchgang, da so die meisten Bürger zu erreichen Katrin Färber 16.– 18. Jahr- hundert

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