Leseprobe
96 Vom Übergang Plauens an das albertinische Kursachsen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts waren. Frühzeitig wurden die Informationen zu Markt- terminen, Versteigerungen, Polizeiordnungen oder an- dere Edikte auch am Rathaus ausgehangen. So gab der Rat im April 1705 bekannt, dass über- schüssige Karpfen abzugeben wären. Die Fischzucht in den Gewässern der Stadt stellte eine wichtige Nah- rungsquelle dar. Vor allem die anpassungsfähigen Karp- fen wurden in den Teichen gehalten, und im Mühlgraben befand sich eine Vielzahl von Fischreusen. Die Viehhaltung in der Stadt erzeugte einige Pro bleme bezüglich der Sauberkeit. Aus diesem Grund sah sich der Stadtrat veranlasst, im Mai 1714 zum wieder- holten Mal bekanntzumachen, dass nur Bürger mit Fel- dern und Wiesen auch Geflügel und Vieh halten dürfen. Es wurde untersagt, die Enten und Gänse frei in den Gassen herumlaufen zu lassen. Zur Eindämmung eines zu großen Kleiderluxus’ ihrer Untertanen erließen die sächsischen Kurfürsten in der Zeit zwischen 1486 und 1750 verschiedene Kleiderord- nungen, die teilweise erhebliche Strafen androhten. Die fürstlichen Kleidergesetze dienten dazu, die äußerlich sichtbaren Standesgrenzen und die Zahlungsfähigkeit der Untertanen zu gewährleisten. Wer zu viel Geld für Kleiderluxus ausgab, hatte weniger Geld für Steuern. Wenn ein Verbot trotz empfindlicher Strafen öfter er- neuert werden musste, ist das ein deutliches Indiz für geringe Akzeptanz in der Bevölkerung. Das zeigt sich auch in Plauen, wo am 11. Dezember 1714 mit Nachdruck darauf hingewiesen wurde, dass die Kleiderordnung von 1661 einzuhalten wäre und diese schon zum wieder- holten Mal bekanntgemacht wurde, so 1682, 1683, 1685 und 1704, damit »[...] sich niemand über seinen Standt an Pracht und Hoffarth [Verschwendung] aufführen solle [...]«. 1 Diese Ordnung richtete sich vor allem an Handwerksgesellen und Frauen, die Kopfbedeckungen und Kleidung mit teurem Zierrat wie Pelze, Gold- und Silberborten trugen. Außerdem war es den Bürgerinnen untersagt, halb- und ganzseidene Schürzen und Tücher zu tragen, weil es nicht ihrem Stand entspräche. Nach Recht und Gesetz Da sich die Einhaltung von Spielregeln in der Gesell- schaft nicht im Selbstlauf ergibt, war die Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit Aufgabe der Obrigkeit (Landesherrschaften, Gutsherrschaften, Städte) und ihrer Organe. Als Richtschnur dabei galt lange das zwi- schen 1220 und 1235 entstandene Rechtsbuch des Eike von Repgow, der Sachsenspiegel, das zum Bei- spiel auch um 1540 im Deutschen Haus in Plauen vor- handen war. In ihm waren Rechtsgewohnheiten notiert und Handlungsgrundsätze zusammengefasst. Später- hin wurden Polizei- und Gerichtsordnungen erstellt, etwa die Polizeiordnung Burggraf Heinrichs IV. von 1551 oder die sächsische Polizeiordnung von 1622. Der Begriff »Polizei« ist dabei nicht im modernen Sinne zu verstehen, sondern vom altgriechischen »politeia« (der Staat) her als »gute Ordnung« und deren Durch- setzung. In der Gerichtsbarkeit ist zwischen der nie- deren, die sich mit geringeren Delikten befasste, und der hohen, bei der es um Leib und Leben ging, zu un- terscheiden, zum Beispiel im Falle von Mord, Raub, Ver- gewaltigung oder Zauberei. Zur Entscheidungsfindung wurden teilweise durch Folter erzwungene Geständ- nisse herangezogen und seit 1432 holte man sich Rechtsbelehrung und Urteile beim Leipziger Schöffen- stuhl ein. Anfangs unter der Gerichtsbarkeit des Landesherrn stehend, erwarb der Plauener Rat 1509/10 die Oberge- richte in der Stadt pachtweise und 1617 erb- und eigen- tümlich, nachdem er schon 1614/15 die Gerichte über die Einwohner der Vorstädte erhalten hatte, und ließ sie durch einen Stadtvogt ausüben. Die Prozessdauer konnte sehr kurz ausfallen. Als Jobst Widemann am Sonntag Invokavit (27. Februar) 1569 den Braumeister Jobst König erstochen hatte, wurde er bereits am folgenden Freitag auf dem Markt gerichtet. Albert von Reitzenstein auf Blankenberg wurde dagegen 1619 nach zweijähriger Haft wegen Mordes an einem Soldaten auf dem Markt enthauptet, er blieb dann über drei Wochen unbegraben. 1587 wurde Salome von Minckwitz wegen Mordes an ihrem neugeborenen Kind nach halbjähriger Haft durch Sä- ckung ertränkt. Das gleiche Urteil war 1615 Elisabeth Weller, geb. Pestel wegen Ehebruchs und Tötung ihres außerehelich gezeugten Kindes bestimmt, es wurde aber aus kurfürstlicher Gnade in Enthaupten umgewan- delt, sodass sie auf dem Friedhof in regulärer Weise begraben werden konnte. Wegen des von ihr mit ihrem Ehemann begangenen Kindermordes wurde 1683 Maria Grimm aus Steinsdorf gesäckt. Dabei wurden wie üblich ein Hund, eine Katze, ein Hahn und eine Schlange mit ihr in den Sack gesteckt. Das Urteil wurde beim Johannis- hospital in der Elster vollstreckt, begraben wurde sie ebenda auf dem Friedhof beim Siechenhaus. Dort auf dem »Köpfwieslein« wurde 1777 als Letzter der wegen Mordes verurteilte Schneckengrüner Schäfer Michael Geist enthauptet. Die Folter, Tortur, scharfe oder pein- Frank Weiß ① Siegelstempel des Plauener Rates, Messing, 1633 Stadtarchiv Plauen, Uwe Fischer 1714
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