Leseprobe

242 Großstadt Plauen – Kaiserreich, Weimarer Republik, »Drittes Reich« Bevölkerungsentwicklung NachdemPlauen Ende April 1904 die Zahl von 101 167 Ein­ wohnern erreicht und damit den Status einer Großstadt erlangt hatte, war auch die weitere Entwicklung von starkem Wachstum geprägt. Ein Jahr später, im Mai 1905, registrierte man bereits 104 255 Einwohner, das heißt die Bevölkerung war innerhalb eines Jahres um etwa drei Prozent gewachsen. In den Folgejahren setzte sich dieser Trend in der gleichen Größenordnung fort, wobei ein besonders großer Sprung von 1909 auf 1910 statt- fand, als die Bevölkerung von etwa 113000 auf etwa 121 000 Einwohner wuchs. Mit 128014 Bewohnern war Ende November 1912 der Höchststand erreicht. Plauen war damit am Anfang des 20. Jahrhunderts neben Chem- nitz und Leipzig die am stärksten wachsende Stadt im Königreich Sachsen. Bestandteil dieses Prozesses waren die Eingemeindungen, die unmittelbar vor der Großstadtwerdung 1904 erfolgt waren : Haselbrunn (1899), Chrieschwitz (1900), Kleinfriesen, Reusa und Tauschwitz (alle 1903). Jahr Einwohner 1905 105381 1906 107923 1907 112 198 1908 112021 1909 113396 1910 121 272 1911 123663 1912 126411 1913 123225 1914 108553 1915 100 113 1916 96244 1917 92816 1918 100838 Einwohnerentwicklung (Jahresmittel), von 1905 bis 1918 Sönke Friedreich Die Bevölkerungsvermehrung wirkte sich zunehmend kritischer auf die Wohnungssituation in der Stadt aus. Aufgrund der Verknappung von Krediten stockte der Wohnungsbau vor 1905. In diesem Jahr existierten 5204 bewohnte Gebäude mit 22 870 Haushalten, was den Durchschnittswerten von 20,25 Einwohnern pro Ge- bäude, 4,39 Haushalten pro Gebäude und 4,61 Einwoh- nern pro Haushalt entsprach. In der Stadt überwogen Einzimmerwohnungen, in denen mehr als die Hälfte der Stadtbewohner lebte, wobei die Behausungsziffer bei 4,3 Personen je Einzim- merwohnung lag. Die bedrängten Wohnverhältnisse werden auch durch den hohen Anteil an Schlafgängern an der Wohnbevölkerung deutlich; dieser lag Anfang des 20. Jahrhunderts bei 8,7 Prozent. Die Beengtheit der Verhältnisse bei relativ hohen Mieten veranlasste bereits Walther Naumann, in seiner 1902 publizierten Doktorarbeit über die »Wohnungsfrage im Königreich Sachsen« von Plauen als einer Stadt mit einer »wirklichen Wohnungsnot« zu sprechen. 1 Dennoch wurden zwischen 1904 und 1910 jährlich weniger Woh- nungen gebaut; erst ab 1911 stieg die Zahl wieder an. Jahr Neu gebaute Wohnungen 1904 2856 1905 1 773 1906 1 049 1907 849 1908 650 1909 360 1910 177 1911 406 1912 596 1913 796 Anzahl neu gebauter Wohnungen, von 1904 bis 1913 Das konstante Bevölkerungswachstum ging haupt­ sächlich auf den Geburtenüberschuss zurück, durch den die Bevölkerung einen jährlichen Zuwachs von etwa 2000 Menschen erfuhr. Dagegen waren die Be- wegungen von Zu- und Wegzug sehr schwankend. Ent- scheidend für die Fluktuation der Bevölkerung war die konjunkturelle Entwicklung, auf die die örtliche Indus­ trie sehr kurzfristig reagierte. In der Krisenzeit des Jahres 1908 verließen knapp 2000 Menschen die Stadt, während im Boomjahr 1910 über 3 600 Zuzüge zu ver- zeichnen waren. Vor allem der Anteil der Schlafgänger an der Wohnbevölkerung wurde von einer äußerst mo- bilen Bevölkerungsgruppe gestellt, die sehr flexibel auf Änderungen des Arbeitsmarktes reagierte. Eine Konstante war der hohe Frauenanteil der Bevölkerung. Dieser war bereits im Jahr 1890 von der Handelskammer auf 54,39 Prozent beziffert worden und blieb auch nach 1905 durchgehend hoch bei 53 bis 54 Prozent. 1910 gab es bei 121 272 Einwohnern Plauen ist Großstadt ↥ Bahnhofstraße in Plauen, Gemälde von Kurt Geipel (Ausschnitt), 1938 Vogtlandmuseum Plauen, Repro Uwe Fischer November 1912

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