Leseprobe

252 Großstadt Plauen – Kaiserreich, Weimarer Republik, »Drittes Reich« krieg und die Wirtschaftskrise zum Stillstand kam. Dies hatte Auswirkungen auf das Stadtbild, das aufgrund seiner Ausdehnung, des wachsenden Verkehrs und der technischen Neuerungen zunehmend urbaner wirkte. Dennoch behielt die Stadt ihren Zwischencharakter, war doch die Prägung als Ackerbürgerstadt keineswegs völ- lig verschwunden. Eine der ausführlichsten und ein- dringlichsten Schilderungen der Stadt, wie sie sich ei- nem auswärtigen Gast darstellte, lieferte im Frühjahr 1910 der Zeitungsredakteur Otto Schulze in dem seit 1906 in Dresden publizierten »Salonblatt«. 20 In einer Mischung aus Stadtbeschreibung und -werbung schil- derte Schulze, wie ein fiktiver Fremder, am Unteren Bahnhof ankommend, die Stadt wahrnahm: »[So] eilen wir mit dem Dampfroß gen Plauen, sind aber bei der An- kunft auf dem Unteren Bahnhof einigermaßen erstaunt, alles andere denn großstädtisches Leben zu finden. Ein kahles, nüchternes Stationsgebäude nimmt uns auf, wir schreiten durch dieses hindurch und sehen vor uns zu- nächst nur einige wenige Straßenzüge mit Mietskaser- nen modernen Stils, die jeder Eigenart entbehren. Auch diese stehen erst wenige Jahre, vor nicht zu langer Zeit lag der ›Untere Bahnhof‹ weit draußen vor der Stadt. Bevor wir die rechter Hand haltende ›Elektrische‹ be- steigen, gehen wir einige Schritte voran bis zur Elster- brücke und beschauen die jenseits des wasserarmen Flusses liegende Stadt. Viel ist nicht zu sehen. [...] Links von uns auf dem gleichen Elsterufer dehnen sich die Arbeitsstätten der Vogtländischen Maschinenfabrik, in denen unablässig an die 2 000 Menschen arbeiten. Gegenüber sehen wir zahlreiche Bleichereien und Appreturanstalten mit ihren schmucklosen Fabrikge- bäuden. Oberhalb des etwas einförmigen Bildes bieten allerdings geschmackvolle Villen längs der höher gele- genen Straßbergerstraße willkommenen Abschluß. Rechter Hand dehnt sich die mächtige Stadt, von der zunächst nicht allzuviel wahrnehmbar ist.« Nach diesem eher nüchternen Anfang schildert Schulze anschlie- ßend die »Entdeckung« des modernen Plauens : »Bin- nen weniger Minuten stehen wir auf der Bahnhofstraße, der Hauptverkehrsader der Stadt, welche den Haupt- bahnhof, den oberen, mit der inneren Stadt verbindet. [...] Wir [...] wandeln die breite Avenue entlang, die ganz Geschäftsstraße ist und Auslagen aufweist, deren sich auch weit bedeutendere Städte nicht zu schämen brauchten. Von imposanter Wirkung ist der große, von hohen Monumentalbauten umgebene Albertplatz, den geschmackvolle Blumenbeete und drei Denkmäler, das Kriegerdenkmal von 1870/71 und die Standbilder von Bismarck und Moltke, zieren. Lebhaft ist das Gewühl hier zu jeder Tageszeit, und bis hinab zur Hauptpost wird die Straße nicht leer von Wagen- und Fußgängerverkehr. [...] Nicht ein Restaurant gewöhnlichen Stiles, sondern fast ein Allgemeinbegriff ist das am Postplatz neben der Lohmühlenpromenade errichtete, mit allem Komfort ausgestattete Café ›Trömel‹ mit seinem vielbesuchten Sommergarten.« Neben dem großstädtischen Treiben erkannte Schulze die spezifische Industriestruktur als prägend für das Stadtbild : »Die eigenartige Industrie Plauens ⑧ Aufstellung des König- Albert-Reiterstandbilds auf dem Altmarkt, 1907 Stadtarchiv Plauen ⑨ Das 1912 eröffnete König- Albert-Bad an der Hofer Straße. Rechts, zur Elster- brücke hin, das Damenbad, das nach dem Zweiten Weltkrieg nicht wieder aufgebaut wurde Stadtarchiv Plauen

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