Leseprobe

1964 1971 372 Plauen im Sozialismus den, das die linksseitige Bahnhofstraße vom Platz der Roten Armee (heute Albertplatz) abschloss. Mitte der 1960er-Jahre entstand mit der »Sutten- wiese« das nächste große Neubauvorhaben in Plauen. Als im Februar 1964 die Bagger anrollten, musste die Zeitung ihren Lesern erst einmal erklären, wo diese überhaupt liegt. Auf dem Gebiet in Reusa südlich der Kleinfriesener Straße zwischen Tauschwitzer Straße und Hauptfriedhof entstanden über 500 Wohnungen. Obwohl die Zahl der Wohnungen in den 60er-Jahren wuchs, gab es noch reichlich »Luft nach oben«. Ende 1967 suchten allein über 2800 Familien eine neue Bleibe, hinzu kamen 54 kinderreiche wohnungssuchende Fa- milien (d. h. vier Kinder und mehr), die bevorzugt behan- delt werden sollten – ebenso Schwerpunktbetriebe, die über eigene Wohnungskontingente verfügten. Nicht eingerechnet waren die zahlreichen Anfragen von Al- leinstehenden und Paaren. In den ersten drei Quartalen dieses Jahres gingen in der Abteilung Wohnungswirt- schaft allein 1 332 Eingaben zu Wohnungsfragen ein. Für etwas Abhilfe sorgte am Ende der Dekade das bis- her größte neue Wohngebiet Seehaus auf dem Gelände zwischen Sternplatz und Westbahnhof. In architektoni- scher Hinsicht vollzog sich dabei eine Zäsur, wurde hier doch erstmals großflächig auf die sogenannte »ratio- nelle Bauweise« mit vorgefertigten Großplatten zurück- gegriffen, die mit Tiefladern aus dem Plattenwerk Oels- nitz (Erzgebirge) antransportiert wurden. Neben den Wohnbauten eröffnete hier bald die erste Kinderkrippe- Kindergarten-Kombination Plauens. Und weiter : »Ein Friseursalon Figaro und eine zeitweilige Verkaufsstelle wurden eingerichtet. Es entstanden überall Rasenflä- chen, Kinderspielplätze und Sportanlagen, Parkplätze und Garagen«, schrieb Museumsdirektor i. R. Rudolf Donnerhack als einer der ersten Mieter im Seehausge- biet 1971 in der Zeitung. 2 Bald darauf folgten die neue Kaufhalle und die Gaststätte (und Schülergaststätte) »Comeniusberg«. Gerade das ab Mitte der 1970er-Jahre groß ange- legte Neubaugebiet Mammenstraße repräsentierte das Wohnungsbauprogramm als zentralen Bestandteil von Honeckers Sozialpolitik : Die beabsichtigte Erfüllung der Wohlstandsversprechen für die breite Masse ließ sich damit jedoch noch nicht realisieren. Die größte, effek- tivste und auffälligste Siedlung gedieh gegen Ende des Jahrzehnts vor den Toren der Stadt – fernab der städti- schen Siedlungsstruktur – in Gestalt des Neubauge- biets Chrieschwitzer Hang. Dieses größte und kühnste Wohnbauprojekt Plauens in den 40 Jahren DDR demons- trierte einen Sozialismus in Reinkultur. Mit dem Chrieschwitzer Hang bekam auch Plauen seine »Beton- burgen«, ausgelegt für insgesamt 18000 Bewohner. Was von außen betrachtet völlig gleichförmig aussah, war in sich jedoch ein Mosaik vieler kleiner, oft liebevoll gestalteter Wohn- und Lebensräume : ein Rückzugsort nicht selten zur Flucht ins Private, ein Refugium der Selbstverwirklichung inmitten einer durchnormierten Welt des Wohnens, in dem die Maße der Zimmer für die genormten Schrankwände ausgelegt waren. Wer Glück hatte, verfügte über einen Balkon und dekorierte die- sen im Wortsinne nach allen Regeln der Kunst. Nicht immer war die Freude am neuen Refugium von Dauer. Es war nicht nur das Hellhörige und Grobe an den Plattenbauten, oder das Verwirrende vieler gleich aus- sehender »Wohnscheiben« – wo man erst einmal die richtige Tür finden musste –, sondern ebenso ihre bau- liche Anfälligkeit. Während die Altbausubstanz ohnehin verkümmerte, erwiesen sich bald auch die sozialisti- schen »Eigengewächse« als fehlerhaft : Allein im Mam- mengebiet lagen Ende 1986 Schäden in Höhe von rund 750000 Mark »auf Grund konstruktiver Mängel in der Dachzone« vor. Hinzu kamen Feuchtigkeitsschäden »an den Fugen der Giebelwände zwischen den Platten, die zumeist nach Ablauf des Garantieanspruchs auftraten«. Die diesbezüglichen Eingaben der Bewohner häuften sich. Im Wohngebiet Chrieschwitzer Hang waren derweil in 130 Wohnungen wegen fehlender Ersatzteile seit etwa einem halben Jahr die Spülkästen defekt. Auch Rohrbrüche traten mit gewisser Regelmäßigkeit auf und sorgten für Unmut. Die zuständige PGH Sanitärtechnik sah sich jedoch mit Verweis auf Arbeitskräfte- und Ma- terialmangel außerstande, wirklich Abhilfe zu schaffen. Manchmal waren die Probleme noch gravierender : So kam es Ende der 70er-Jahre im Wohngebiet Dörffel- Stadtteil Zeitraum Wohnungen Östlich der Bahnhofstraße 1959/60–1964 etwa 750 Alte Reichenbacher Straße 1962–1964 400 Suttenwiese 1964–1966 520 Seehaus 1968–1972 1 100 Westlich der Bahnhofstraße 1972/73 (1. Teil) 1977–1979 (2. Teil/ elfgeschossige Häuser) 350 322 Dörffelstraße (zwischen Marien- und Gartenstraße) 1973–1976 470 Mammenstraße (Ostvorstadt) 1974–1979 1 660 Chrieschwitzer Hang 1977–1986 5700 Wichtigste Wohnneubauprojekte in Plauen seit 1959

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