Leseprobe
47 Durch ihre Verausgabung als Sozialreferentin des Studen tenrats blieb ihr für ihre eigentliche Arbeit zu wenig Zeit. Ihre enge Freundschaft zu Theodor Rosenhauer be einflusste ihr späteres Schaffen: Ähnlicher pastoser Farb auftrag, aber die Malweise beider ist geprägt von einem Gegensatz von Dur – meine Mutter – und Moll, wie einmal ein Kunsthistoriker bemerkte. Von noch viel größerem Einfluss jedoch – nicht nur auf ihr Schaffen, sondern auf ihr ganzes Leben und auch für mich – war seit 1947 Bernhard Kretzschmar. In einem Blatt vom 9. Mai 1948 schrieb er: »Liebste, auferstandene Eury dike der schönsten und tapfersten Mütter, der Mutter mei nes Freundes Peter, den ich mehr liebe, als ich mir ein gestehe, diese Blumen in Abwesenheit. Ach wie einsam fühle ich mich heute. Ich wünsche mir die Zauberkräfte des Orpheus meine ganze Entfaltung meiner Künste des Bern hard ohne t. Dann gehen alle Deine Wünsche in Erfüllung.« Schon 1949 war sie, vermutlich mit einem Aquarell – möglicherweise das »Selbstbildnis« von 1949 – bei der 2. Deutschen Kunstausstellung vertreten, ich vermute, im Rahmen der Präsentation studentischer Arbeiten, die im Ausstellungskatalog nicht aufgeführt sind. Nach dem verheißungsvollen Neubeginn unter den Rek toren Hans Grundig (Hochschule für Bildende Künste) und Will Grohmann (Staatliche Hochschule für Werkkunst, ehem. Kunstgewerbeschule) litt sie seit deren Fusionierung 1950 sehr unter der Ideologisierung der Kunst unter dem neuen Rektor Fritz Dähn, insbesondere unter den Diffamierungen gegen ihren Lehrer Wilhelm Lachnit, der seine Professur 1954 schließlich aufgab. Durch ihre kritischen Stellungnahmen wurde die zunächst vorgesehene Aspirantur abgelehnt. Freischaffende Malerin So arbeitete sie ab 1952 als freischaffende Malerin und leis tete intensive Sozialarbeit innerhalb des VBK der DDR. Außerdem unterrichtete sie an der Dresdner Fachschule für Kindergärtnerinnen Zeichnen, Malen und Kunsttheorie. Um diese Zeit beteiligte sie sich auch an der Säulengestaltung des ehemaligen Flugzeugwerks in Dresden-Klotzsche und bemalte die Türen eines Kindergartens in Freital bei Dresden. Wie Bernhard Kretzschmar litt auch meine Mutter an der Kulturpolitik in der DDR; der Förderung schlechter, niveauloser Kunst – fixiert im sogenannten Bitterfelder Weg (»bitterer Feldweg«). 1953 schrieb sie im Tagebuch für mich: Von der Kommission für Kunstangelegenheiten habe ich den Auftrag erhalten eine Landschaft zu malen für 1800 DM. Unser Geld ist fast aufgebraucht. Ich muss schleunigst an die Arbeit gehen. Ach, wie ich es hasse Aufträge auszuführen. Ich möchte das malen, was mich bewegt. Mein Erlebnis und wenn ich es zutiefst erlebt habe, dann wird es auch den ande ren Menschen ein Erlebnis sein. Aufträge dieser Art sind schrecklich und wirken hemmend. Nun, Du schläfst mein Peter! Du hast noch keine Sorgen. Möge Gott Dich noch lange beschützen! Mögest Du lange Kind bleiben. Das Stillleben, offiziell nicht besonders erwünscht, gab ihr die Freiheit, sich politisch-thematischen Vorgaben zu entziehen und ihre Liebe zu den Blumen, der Poesie der stummen kleinen Dinge – zur Schönheit – auszudrücken Abb. 8 Meine Mutter während des Studiums, um 1946, Fotografie, Nachlass der Künstlerin
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1