Leseprobe
8 auch das ausgewogene Verhältnis von Gegenstand und umgebendem Raum gewahrt bleiben. Die Farbpalette ist jeweils auf wenige Hauptkon traste beschränkt: zum Beispiel auf die Komplemen tärkontraste von Blau und Orange in »Anni Brock mann«, von Rot und Grün im »Park von Arboga«, die Kombination von Hellblau und Rosé im »Sträußchen«, von Blau und Braun im »Selbstbildnis« von 1969, schließlich von Blau, Rot und Weiß im »Stillleben im Atelier« (Kat. 15, 17, 7, 20, 21). Die Farbzusammenstel lungen sind delikat, manchmal kühn oder zumindest ungewöhnlich und wirken in den Gemälden doch voll kommen stimmig: ein bunter Sommerstrauß aus strahlend weißen, gelben und rosa Farbtupfen, um rahmt von fahlem Grün vor leuchtendem Weinrot in »Feldblumen« (Kat. 12), die Malerin »Anni Brock mann« in einem graubraunen Kleid und Baskenmütze neben dem fast grellen Apricot-Rosé einer blühenden Azalee, deren Stengel und Blätter den dunklen Akkord der Kleidung der Porträtierten aufnehmen, während der helle Rundkragen des Kleides das gebrochene Weiß von Tischplatte und Untersetzer wiederholt, das Ganze platziert vor eisblauem Hintergrund. Zu den oft zerbrechlichen, dem baldigen Verblühen geweihten Motiven steht Stilijanovs Maltechnik scheinbar im Widerspruch: In den Ölgemälden ist die Farbe meist pastos und in mehreren Schichten übereinander aufgetragen, sodass mitunter Reliefs aus Farbe entstehen, wie in den Gesichtspartien von »Peter!« und »Kaltmamsell« (Kat. 8, 10), an Ausschnitt und Schultern des »Selbstbildnis« von 1969 sowie bei den Früchten und Utensilien im Vordergrund von »Rit tersporn« (Kat. 20, 9). Häufig ist die pastose Farbe in unterschiedliche Richtungen mit demSpachtel verstri zahlreichen bildenden Künstlern geprägt, darunter Siegfried Donndorf, Hans Jüchser, Hermann Teuber und andere Mitglieder der ASSO in Dresden wie Johnny Friedlaender und Eugen Hoffmann, Tänzerinnen wie Dore Hoyer, Schriftsteller und NS-Widerstandskämpfer Cuno Wojczewski, mit dem sich Stilijanov, wie ihr Sohn berichtet, an einer Flugblatt-Aktion gegen die National sozialisten beteiligte und dafür 1934 mehrere Wochen inhaftiert wurde, sowie Schauspieler und Schauspie lerinnen in Dresden und Berlin. 8 Stilijanov hatte ihren Lebenskompass bereits ausgebildet, bevor sie ihr Studium begann – künstlerisch wie politisch. Komposition, Farbgebung und Malweise Der Blick auf Stilijanovs mehr als 30 Jahre umfassen des Schaffen offenbart ein malerisches und zeichne risches Œuvre von thematischer Geschlossenheit, gestalterischer Konsequenz und innerer Schlüssig keit. Ihre Kompositionen sind klar, zuweilen streng gegliedert und wirken, trotz der oft zarten Motive, in dem Zusammenspiel aus regelmäßigen großzügigen Formen und miteinander harmonisierenden Farben vollkommen ungekünstelt (Abb. 1). Die zumeist weni gen Figuren und Gegenstände sind mehrheitlich im Bildzentrum angeordnet, selten vom Bildrand ange schnitten. Die freigelassene Fläche ist im Bildraum ebenso wichtig wie die vomMotiv besetzte. Die Kan ten der Tische, auf denen eine Vase mit Blumen, manchmal in Kombination mit Früchten, Gefäßen, Besteck oder einer Zeitung, aufgebaut ist, verlaufen bildparallel. Licht und die oft kühlen Farben sowie die mit der Binnenfarbe kontrastierenden Umrissli nien modellieren die Gegenstände so, dass die Geschlossenheit und Plastizität der Einzelform wie
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