Leseprobe

88 des Han Wudi« ( Hanwu Gushi 汉武故事 ) von Ban Gu 班固 (32–92). Laut dieser Legende ritt sie in Begleitung ihres Gefolges auf einem blau-grünen Vogel und brachte dem Kaiser Han Wudi zum Geburtstag magische Pfirsiche, die das Leben verlängern. Daher rührt die Vorstellung, dass Xiwangmu auf einem Kranich oder Phönix fliegt und Pfirsiche, ein Symbol für Langlebigkeit, bringt. Auch hier trägt sie eine Schale mit Pfirsichen. Ihr Gefolge ist lediglich angedeutet durch Standarten, die über den Wolken erscheinen. Das Terrassengeländer unten rechts weist auf einen Palast, wohl des Han Wudi, hin. Auf Blatt 23 sieht man einen Gelehrten in Ming-zeitlicher Kleidung, der unter einem Bambus auf einem Felsen an einem Bach sitzt (Abb. 4). Sein Diener offeriert ihm einen Weinbecher. Neben ihm steht ein Holzöfchen mit einer Teekanne und einem Fächer zum Anfachen der Glut. Die aus den Wolken ragende Dachspitze soll einen Himmelspalast andeuten. Die Abbildung verkörpert die hohe Wertschätzung, die Gelehrte der Ming-Dynastie dem ruhigen freien Landleben beimaßen. Die den Bildern gegenüberliegenden Seiten bestehen aus braun gefärbtem Reispa- pier ( xuanzhi ), gesprenkelt mit Goldpuder. Sie sind beschrieben mit Gedichten ver- schiedener Literaten der Ming-Dynastie, die alle der Yunjian-Schule ( Yunjian Pai 云间派 ) zuzurechnen sind, einer Gruppe von Schriftgelehrten, die einen großen Einfluss auf die chinesische Dichtkunst und Literatur der frühen Qing-Dynastie ausübte. Jede Kalligra- fie ist links unten mit den Namen und Siegeln des Autors signiert. Daraus geht hervor, dass es sich um Freunde und Verwandte des Albumbesitzers Qian Shigui 钱士贵 han- delt. Dass er und weitere Autoren ebenso wie die Stickerfamilie Gu aus Shanghai stammten, stützt die Vermutung der Entstehung in Shanghai. Als berühmtester Beiträger ist Chen Jiru 陈继儒 (1557–1639) zu nennen. Aus den in seinem Gedicht genannten Daten lässt sich die Entstehung des Albums im Sommer 1639 herleiten. Auf der Innenseite des Einbands findet sich eine chinesische Bezeichnung, die mög- licherweise von dem Kunsthändler stammt, über den das Werk verkauft wurde: 前四大 字 佛十页 ( qian si dazi fo shi ye ), »Vier große Zeichen am Anfang, zehn Seiten Buddhas«. Damit ist eine Beschreibung des Inhalts gegeben, die jedoch ungenau ist. Mit den vier Zeichen zu Beginn ist die Titelkalligrafie gemeint, die sich über vier Seiten erstreckt. Es folgen zehn Seiten jedoch nicht mit »Buddhas«, sondern mit daoistischen Figuren. Auf der letzten Seite des Albums hat sich Qian Shigui, der Auftraggeber des Albums, selbst mit einem Gedicht verewigt (Abb. 3). In seiner Signatur setzte er vor seinen Namen xu ( 续 ), »fortsetzen«. Damit ist gemeint, dass er die vorangesetzten Gedichte seiner Freunde mit einer eigenen Arbeit fortführt. Qian Shiguis Großjährigkeitsname ( zi 字 ) 4 lautete Yuan Chong 元冲 . Er stammte aus dem Kreis Huating ( 华 亭 ) in Songjiang ( 松江 Shanghai). 1610 erhielt er den Doktortitel für sein bestandenes Palastexamen und einen Posten im sechsten Rang als Magistrat des Verwaltungsbezirks Jinxian (Provinz Jiangxi 江西 ). Kurz darauf kehrte er jedoch aufgrund des Todes seiner Eltern für drei Jahre nach Hause zurück und wurde anschließend Magistrat von Shanrao (Provinz Jiangxi 江西 ). 5 Aufgrund seiner außerordentlichen Leistungen wurde er zum kaiserlichen Zensor ernannt, musste aber bald wegen Krankheit zurücktreten. 1628 wurde er Steueraufseher für den Bereich Peking. Das Amt des Vizeministers des Obersten Gerichts schlug er aufgrund seiner Krankheit aus uns kehrte für zehn Jahre zurück in seine Heimatstadt. Danach wurde er Minister für Zeremonien in Nanjing. Die Stelle als Vizeminister im Minis- terium für Bestrafungen konnte er nicht mehr antreten – er starb, wahrscheinlich in den 1640er Jahren. Anmerkungen | 1 In »I Ging« (Buch der Wandlungen) ( Yi Jing 易经 ) und »Guizang« (Rückkehr in den Speicher) ( Guizang 归藏 ) wird sie als Hüterin des Lebenselixirs erwähnt. In den »Bambusannalen« ( Zhushu Jinian 竹书 纪年 ) (265–316) wird sie als kaiserliche Prinzessin beschrieben. | 2 Bez. l.: 续 钱士贵 ( Xu Qian Shigui ); l. Siegelstempel: 士贵 (Shi Gui ). | 3 Er ist nicht in einer adligen Familie aufgewachsen, aber dennoch ist er gut gebildet / Ein guter Freund von Vielen, kultiviert wie ein edler Herr / Sein Charme wie ein Phönix über den Wolken, seine Fantasie groß wie der mythische Adler / Vom Kaiser gerufen und ausgezeichnet. Liu Jiuweng ist ein Weiser, zufällig ein Gast im Dorf Hui / Im Dorf Hui gibt es viele Männer, die ausgezeichnet wurden und einige, die sich schämen noch / keine gute Laufbahn ein- geschlagen zu haben. Fortgeführt von Qian Shigui (sinn- gemäß übertragen von Kathrin von Loh u. a.). | 4 In der Kaiserzeit wählten Männer mit Eintritt in das Erwach- senenalter häufig einen Zweitnamen, der den Vornamen ersetzte. | 5 Regierungsbeamte durften nach demTod der Eltern für eine dreijährige Trauerzeit in ihre Heimatstadt zurückkehren und anschließend ihre früheren Posten wieder einnehmen.

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