Leseprobe
89 2 Unbekannt, chinesisch Szenen aus dem Roman »Die Räuber vom Liangshan-Moor« ( Shuihu Zhuan 水浒传 ) Südchina, Jiangsu oder Zhejiang, Provinz um 1630/1650, späte Ming-Dynastie Pinsel in Wasserfarben auf Seide 388×8970 mm (Bildrolle), 316×6230 mm (Bildfeld) Inv.-Nr. Ca 150 – Cat. 1 (1738), S. 159, Nr. 44 – Cat. 12 (1764), S. 115v, Nr. 44 Literatur: Ausst.-Kat. Dresden 1989, Kat.-Nr. 120; Ausst.-Kat. Hildesheim 1990, Kat.-Nr. 86 Die im Inventareintrag von 1738 vergebene Nummer 44 lässt sich heute nicht mehr auf der Bildrolle erkennen. Vermutlich befand sie sich auf einem verloren gegangen Futte- ral. Dennoch dürfte es sich um die inventarisierte »große Landschaft« handeln. Die angegebene Länge von »etlich« 20 Ellen meint in diesem Falle »ungefähr zehn bis elf Meter«, da eine sächsische Elle 0,566 Metern entsprach. Dieses Maß stimmt annähernd mit der Bildrolle überein. Darüber hinaus lässt sich die ebenfalls genannte Nummer 4 entschlüsseln als zuge- hörig zum Nummerierungssystem des gedruckten Katalogs zur Nachlassauktion 1728 des Amsterdamer Bürgermeisters und Asiatika-Sammlers Nicolaes Witsen (1641–1717). Vergleichbare Nummerierungen weiterer Werke belegen diesen Zusammenhang. August der Starke erwarb mindestens zwölf Asiatika auf dieser Auktion (vgl. S. 16–18). In der Katalogbeschreibung zur Abteilung »Chineese, Mogolse en Japanse miniaturen, tekeningen, prenten &c. bestaande in Portraiten Historien en Indiaansche Landschap- pen« heißt es: »No. 4 – Een dito. [een groot Landschap, met viel Beeldjes]« (Eine große Landschaft mit vielen Figuren). 1 Solche schmalen und sehr langen, horizontal aufgebauten Bildrollen waren seit der Zeit der Wei- (220–265) und Jin- (265–420) Dynastien verbreitet und bekannt unter dem Namen changjuan ( 长卷 ), lange Bildrolle, oder shoujuan ( 手卷 ), Handrolle. Sie wurden auf einem Tisch betrachtet, indem die von rechts nach links laufende Darstel- lung sukzessive mit der linken Hand entrollt und mit der rechten wieder zusammen- gerollt wurde. Das thematische Spektrum beinhaltete Figuren, Landschaften, Blumen, Vögel und Kalligrafien. Figurenreiche Geschichten entwickelten sich oft in mehreren Szenen, wobei entweder eine Hauptperson oder mehrere Figuren in einer Art Simultandarstel- lung mehrfach vorkommen konnten. Zu Beginn und Ende der Bildrollen waren häufig Inschriften des Künstlers oder eines Stifters angefügt. In vorliegender Bildrolle wurde die realistische gongbi -Technik ( 工笔 »Technik des sorgfältigen Pinsels«) mit minutiösem Pinselstrich in kräftigen Farben in Verbindung mit der Technik jiehua , der Architekturzeichnung mithilfe eines traditionellen Lineals ( jiechi 界尺 ), angewendet (vgl. Kat.-Nr. 4). Wie in vielen langen Bildrollen wurde eine Abb. 1 Szenen aus dem Roman »Die Räuber vom Liangshan-Moor« ( Shuihu Zhuan 水浒传 ), Kapitel 18 und 20–23 Inv.-Nr. Ca 150 (Ausschnitt)
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