Leseprobe
110 Die 252 Aquarelle bestehen aus 23 sich wiederholenden, aber variierenden Motiven. Die Varianten sind jeweils hintereinander eingebunden. Die Werke sind (gegebenenfalls in Dresden?) im Zuge des Einbindens offenbar beschnitten worden; ursprünglich hätten sie einen sehr viel breiteren Rand um die Darstellung aufgewiesen. Zwei andere Bände, wohl aus der gleichen Werkstatt, enthalten weitere 322 Zeich- nungen (vgl. Kat.-Nrn. 7, 8). In zwei Bänden stimmen die Abdrücke, die die jeweils rechts eingeklebten Bilder auf den linken Seiten verursacht haben, nicht überein. Es lässt sich aber erkennen, dass es sich um Bilder aus dem Gesamtkonvolut handelt. Die Blätter waren also über längere Zeit in anderer Anordnung lose in die beiden Alben eingelegt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war geplant, die nahezu 600 gleichformatigen und thematisch zueinander passenden Zeichnungen zu Stellschirmen oder Wandfeldern zu montieren und als Element der Innendekoration, eventuell für das Japanische Palais in Dresden, zu verwenden. 1 Die Zeichnungen weisen einen sehr schnellen, fahrigen Pinselduktus auf, die hellen intensiven Farben sind lasierend aufgetragen. Es wurden zwei traditionelle chinesische Maltechniken kombiniert, die »impressionistisch« anmutende spontane Malweise xieyi ( 写意 ), in der Regel für die Taihu-Felsen angewendet, und die detailliert ausgeführte Feinzeichnung gongbi ( 工笔 ) für die Blüten und das Vogelgefieder. Die Konturen sind mit dem Pinsel in Tusche gezogen. Anschließend erfolgte der Farbauftrag, zumeist in den Grundfarben Rot, Grün, Gelb und Dunkelblau. Die Blumen, Vögel und Insekten sind skizzenhaft und nicht unbedingt realistisch dargestellt. Beispielsweise erscheinen an einem Zweig Blüten in unterschiedlichen Farben. Es handelt sich durchweg um sehr verbreitete Motive der chinesischen Blu- men-und-Vogel-Malerei huaniao hua ( 花鸟画 ), die mit symbolischer glückverheißender Bedeutung belegt sind. Die jeweiligen Motivvarianten unterscheiden sich vor allem in der Kolorierung, so in einer ganzen Reihe von gleichartigen Vogelbildern, etwa auf den Blättern 10 bis 14 (Abb. 2 und S. 61, Abb. 1–2): Ein Vogel, wohl ein Pirol, sitzt auf einem Ast der Zitron- atzitrone (Citrus medica var. sarcodactylis) mit Blüten und Früchten, die wegen ihrer fingerähnlichen Auswüchse »Buddhas Hand« genannt werden. Die chinesische Bezeich- nung der Frucht foshou ( 佛手 ) ist fast gleichlautend zu fu shou ( 福寿 ), Reichtum und 6 Unbekannt, chinesisch Chinesische Blumen und Vögel (Vorlagen) Gegend um Jiangzhe (Jiangsu- oder Zhejiang-Provinz), zweite Hälfte 17. Jh., Qing-Dynastie, Ära Kangxi Band mit 252 Zeichnungen, Pinsel in Wasserfarben auf Seide, teils mit Höhung in Gold, europäischer Einband in Brokatpapier 349×283×80 mm (Band) Inv.-Nr. Ca 153 – Cat. 1, S. 156, Nr. 15 – Cat. 12 [1764], S. 114v, Nr. 15 Abb. 1 Einband
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