Leseprobe

134 Im vorliegenden Band sind chinesische Holzschnitte und chinoise Kopien nach chine- sischen bzw. indischen Vorbildern vereint worden. Die historische Bezeichnung im Inventar von 1738 als »Japanische Bilder« ist hier im Sinne von »unterschiedliche exo- tische Bilder« gemeint. Ein aus dem Band herausgelöstes Blatt stammt aus der Werkstatt von Wang Junfu (Abb. 2). Diese gehört vermutlich zu den frühesten Druckereien in Suzhou. 1 Die Blatt- größe entspricht einem gängigen chinesischen Papiermaß (ein Drittel Bogen) und wurde in Suzhou häufig für Neujahrsdrucke verwendet. Der buddhistische Mönch Xuanzang 玄奘 (602–664) bereiste zwischen 629 und 645 Zentralasien und Indien und brachte die Tripitaka, die heiligen Schriften des Bud- dhismus, mit. Basierend auf seinen Aufzeichnungen entstand in der Ming-Zeit (16. Jahr- hundert) der Roman »Die Reise nach demWesten« ( Xiyou Ji 西游记 ) vonWu Cheng’en 吴承恩 (um 1500 – um 1582). Bereichert um Volkssagen und Legenden, entwickelte er sich zu einem der vier klassischen Romane Chinas. Im Roman wird der Mönch meist als Sanzang ( 三藏 Drei Schatzhäuser) bezeichnet, Bezug nehmend auf die Dreiheit des Kanons buddhistischer Schriften. Er wird begleitet und beschützt von drei mythischen Figuren, dem König der Affen Sun Wukong 孙悟空 , dem Wasser- oder Halbdämon Sha Wujing 沙悟净 und von Zhu Wuneng 猪悟能 , halb Mensch, halb Schwein. Im Holzschnitt sind einige der zahlreichen Kämpfe gegen Dämonen und Geister darge- stellt, die die Gefährten des Mönchs zu bestehen haben. Vier auf sehr dünnem Papier gemalte Aquarelle in dem Band sind typische Pro- dukte der ephemeren Dekorationskunst. Das annähernd gleich große Format, die sichere, aber schnelle Malweise und die auf Weitsicht konzipierte plakative Stilistik lassen an Theater- oder Festdekorationen denken. Auch die unübersehbaren Gebrauchs- spuren stützen diese Annahme. Offenbar lagen den Darstellungen original chinesische Darstellungen zugrunde, die – am sächsischen Hof? – kopiert und vergrößert wurden. Das Sujet eines der Blätter entspricht einem häufig dargestellten Thema in der chine- sischen Literatenmalerei (Abb. 3). Vier Gelehrte in offizieller Kleidung der Ming-Zeit (1368–1644) lassen sich von einem Diener ein Rollbild mit der stilisierten Darstellung eines Astes zeigen. Zwei Diener im Vordergrund bringen weitere Bildrollen und gießen Blumen in Töpfen. Dem Kopisten dürfte ein chinesisches Rollbild als Vorbild gedient haben. Das Format eines weiteren, wiederum aus dem Band herausgelösten Blattes ent- spricht einem gängigen chinesischen Papiermaß (ein Drittel Bogen), hengsancai ( 横三裁 ), und wurde in Suzhou häufig für Neujahrsdrucke verwendet (S. 64–65, Abb. 8 und 9). Am rechten Rand befand sich ursprünglich wohl die Signatur der Druckwerkstatt. Das Blatt ist in 48 rechteckige Felder eingeteilt. In jedem ist eine Person aus einem Staat dargestellt, der nach chinesischer Auffassung dem Kaiser tributpflichtig war. In einer in größeren Lettern gedruckten Titulatur wird jeweils der Name des Landes genannt. Darunter sind kurze beschreibende Informationen eingefügt zu dem äußeren Erscheinungsbild der Einwohner, ihren Lebens- und Essgewohnheiten, den Landes- produkten sowie zur geografischen Lage. Zusätzlich ist die Entfernung zu einem von fünf Orten angegeben: Peking ( Jing 京 ), Guangzhou ( 广州 ), Jiangning ( 江宁 , heute Nan- jing), Quanzhou ( 泉州 ) und An Nam ( 安南 ) in Vietnam. 2 Die Texte sind imWesentlichen der Ming-zeitlichen Ausgabe des Buches der Welt- geschichte ( Yiyu Zhi 异域志 ) von Zhu Quan 朱权 (1378–1448) entnommen. 3 Eine erste illustrierte Ausgabe »Bilder und Beschreibungen fremder Nationen« ( Yiyu Tuzhi 异域 图志 ) mit Holzschnitten zu Einwohnern von 168 Ländern erschien ebenfalls in der Ming-Zeit, wohl 1489. 4 Einige der abgebildeten Länder finden sich auch im Buch Guangdong Tongzhi 《广东通志》二十八卷 , » Die Lokalchronik Guangdongs« , Band 28, der 1697 erschienenen vierten Auflage von Guangdong Tongzhi Chugao 广东通志初稿 von 1535. 5 Darin werden die Länder beschrieben als tributpflichtige Staaten der 15 Unbekannte chinesische und europäische Künstler Sammelband mit chinesischen, chinoisen und indischen Darstellungen um 1700, vor 1738 Band mit 42 Darstellungen, davon 2 herausgelöst, darunter 4 Folgen und 5 Einzelblätter, Holzschnitt, Wasserfarben, europäischer Einband 547×407×27 mm (Band) Inv.-Nr. Ca 147h – Cat. 1 (1738), S. 155, Nr. 7 – Cat. 12 (1764), S. 114r, Nr. 7 Literatur: Ausst.-Kat. Dresden 1989, S. 125; Ausst.-Kat. Hildesheim 1990, Kat.-Nr. 102, S. 201, Abb. S. 202; Butz 1995, S. 35f. [Inv.-Nr. Ca 147h/04] Abb. 1 Einband

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1