Leseprobe
15 jeglicher Handel zwischen Asien und Europa der Kontrolle dieser Handelskompanie. Impor- tiert wurden vor allem Gewürze und Textilien aus Indien, Seidenprodukte aus Persien, Kaffee aus Arabien, Metallwaren aus Japan und Gewürze des Malaiischen Archipels. Porzellan und Kunstgegenstände stellten nur einen winzigen Bruchteil der nach Europa importierten Waren dar. Die holländischen Schiffe liefen unterschiedliche niederländische Häfen an, von denen aus die ankommenden Waren direkt in Auktionen und Verkaufsausstellungen angeboten wurden. Spezialisierte Händler erwarben hier Asiatika und boten sie in ganz Europa an. Wer es sich leisten konnte, schickte eigene Agenten nach Holland, die gezielt für den jeweiligen Auftraggeber Einkäufe tätigten. Ankäufe 1716 bis 1718 durch den Agenten Lagnasco Auch August nutzte im Vorfeld der Einrichtung des Japanischen Palais die Gelegenheit, einen seiner Höflinge als Agenten auf der Suche nach Asiatika einzusetzen. Der Italiener Pietro Roberto Taparelli Graf von Lagnasco (1659–1735) war General der Kavallerie am sächsischen Hof und reiste 1716 für längere Zeit nach Den Haag und Amsterdam. Über mehrere Monate hinweg erteilte August ihm brieflich Aufträge, ostasiatische Porzel- lane, Lackwaren, Textilien und Bilder, aber ebenso exotische Vögel und Tiere einzukaufen. 8 Anfangs versicherte Lagnasco sich offenbar des Sachverstands eines Experten, denn mehrfach trat der Amsterdamer Kaufmann, Bürgermeister und Gouverneur der Niederländischen Ostindi- en-Kompanie, Egidius van den Bempden (1697–1748), als Einkäufer in Erscheinung. Dieser bezog seine Waren von diversen spezialisierten Händlern und lieferte sie an Lagnasco, der sie von Holland aus über Leipzig nach Dresden verschickte. Daneben machte Lagnasco auch selbst geeignete Objekte bei Händlern sowie Privatpersonen ausfindig. Er lieferte August Berichte mit Beschreibungen und Vorschlägen zur Verwendung und ließ sich die Erlaubnis zum Ankauf erteilen. Dabei musste er mehrfach – mit aller gebotenen Höflichkeit, aber dennoch mit Nachdruck – daran erinnern, dass der sächsische Geheime Kämmerer Georg Peter Steinhäuser, über den die Abrechnungen liefen, Geld anweisen ließ, da Lagnasco nicht in der Lage war, die benötigten enormen Summen vorzu- strecken. Stets war Eile vonnöten, denn auch die Konkurrenz war vor Ort. So erwarb der Agent des Großherzogs der Toskana, Cosimo III. de’ Medici, seltene Steine und medizinische Heilmittel und war nicht bereit, diese an Lagnasco zu veräußern. Zudem gingen zwei japanische Lackkästen an den Prinzen Eugen von Savoyen, weil Lagnasco nicht sofort zahlen konnte. Der Agent beschwerte sich darüber, dass die großen Verkaufsmessen und Auktionen nur kurzfristig über Zeitungsanzeigen angekündigt würden und alles innerhalb weniger Tage verkauft sei. Der größte Teil der Erwerbungen bestand in Porzellanwaren, wobei es August offensichtlich besonders darauf ankam, seltene, antike und große Gefäße zu erlangen. Doch auch alle anderen Asiatika, die zur Einrichtung chinoiser Räume benötigt wurden, kamen in Betracht. In die Vorschläge zum Ankauf flossen bereits Ideen ein, welche Objekte innerhalb einer Raumausstat- tung kombiniert werden könnten. So empfahl Lagnasco im Oktober 1716 den Kauf einer ein- zigartigen fünfteiligen Löwen-Porzellangarnitur, die mit bereits erworbenen Porzellanen und Textilien eine komplette chinoise Möblierung für ein Appartement bilden würden. 9 Regelrecht in Entzücken geriet Lagnasco über eine Garnitur mit Blumen und Tieren bemalter Wandbehänge (»Tapisserie de toile peintes des Indes«) von der er berichtete, er habe nie in seinem Leben etwas derart Schönes gesehen. Der Preis betrug 2 600 Reichstaler, und er bot an, die Garnitur selbst zu übernehmen, falls August zurücktreten wolle. Doch August stimmte zu, und am 8. September 1716 erwarb er die Garnitur von 163 auf Goldgrund gemalten Papierbahnen mit farbigen Blumen- und Vogeldarstellungen (»163. feuilles de 4. aunes de longuer à fond blanc, avec des comparti- ments dans diferents, où il y a des pagotes, animaux et fleurs« 10 ). Sie wurden am 5. Oktober von der Witwe Godefroy an Van den Bempden geliefert. Die Größe von vier Ellen, circa 2 bis 2,20 Meter, lässt an chinesische Rollbilder denken, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts als Vorform von Tapeten zur Wandbekleidung verwendet wurden. 11
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