Leseprobe
Julia Bienholz- nach vorn gerichtet. Ob sich die Macher mit dieser vereinfachten Darstellung auch von der mit Pathos aufgeladenen Präsentation der Gläsernen Menschen in den 1930er Jahren abgrenzen wollten, kann nur gemutmaßt werden. Gesichert ist jedoch, dass sich daraus eine Vereinfachung der Produktion ergab, sind doch ein gerader Rücken und parallel ausgerichtete Beine einfacher zu replizieren als eine Nei- gung und Schrittstellung. Die vereinfachte Körperform war nur ein Bestandteil der in den 1950er Jahren eingeführten Rationalisierungsmaßnahmen in der Werkstatt »Gläserne Figuren«, die bis zum Ende der Produktion Be- stand haben sollten. Weitere dahingehende Änderungen waren: ❚ Für die Herstellung der Haut, bei der die Kunststoffplatten bisher mühevoll im Wasserdampf erwärmt worden waren, wurde eine Vakuumtiefziehanlage in die Werkstatt eingebaut. Damit konnten auch größere Hautteile – etwa für den Torso und die Beine – ge- formt werden. 32 ❚ Die Ausgestaltung der Blut- und Nervenbahnen wurde vereinheit- licht. Dazu wurden Vorlagenbücher erstellt, in denen ihre Produk- tion Schritt für Schritt festgelegt war. 33 ❚ Es wurden Lehren unter anderem für die Skelettmontage einge- führt, mit denen die Positionierung der Gelenke und die Form der Rippen vorgegeben wurden. 34 Auch in späteren Jahren wurden immer wieder kleinere Innovationen eingeführt. So wurde etwa der Schädel zunächst aus einer Aluminium- legierung gegossen, bevor schließlich die als eigenständige Modelle verkauften Schädel aus Polyvinylchlorid (PVC) eingebaut wurden. 35 Abb. 4 Zwei fertiggestellte Gläserne Menschen mit neuer Körperform und -haltung, Fotografien 1949/50, Inv.-Nr. 2014/860.35, 2014/860.36 22
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