Leseprobe
JULIA BIENHOLZ-RADTKE GLÄSERNE FRAUEN. EINE AUSSTELLUNGSGESCHICHTE In den populären Gesundheitsausstellungen der 1930er Jahre war der Gläserne Mensch des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden (DHMD) vielfach als Schlüsselobjekt zu sehen. Die durchsichtige Figur galt dabei nicht nur als »technisches Meisterwerk«, 1 sondern symboli- sierte auch das Idealbild des schönen, leistungsstarken und gesunden Körpers. 2 Entgegen seiner universalistischen Bezeichnung »Mensch« handelte es sich zumeist jedoch um einen durchsichtigen Mann, den das DHMD in seiner Dauerausstellung wie auch in seinen Wanderaus- stellungen präsentierte und für den internationalen Verkauf kopierte. 1935/36 stellten die Werkstätten des DHMD zwar eine Gläserne Frau her, die in Anlehnung an den Gläsernen Mann modelliert worden war. Diese war jedoch im Auftrag eines US-amerikanischen Fabrikanten entstanden und war ab 1936 ausschließlich in den USA zu sehen. › Gläserne Frau von 1935/36, S. 144 Nach neueren Recherchen zur Objektgeschichte einzelner Gläserner Figuren war diese Gläserne Frau allerdings bereits die zweite weibliche Figur aus der Produktion des DHMD. 3 Tatsächlich wurde eine Gläserne Schwangere schon ab Mitte der 1930er Jahre in Wanderausstellungen des Museums eingesetzt. Nach 1945 nahm die Bedeutung der Gläsernen Frauen sowohl in den DHMD-eigenen Ausstellungen als auch im Verkauf der Gläsernen Fi- guren deutlich zu. Bis in das Jahr 2000 wurden mehr als 65 Gläserne Frauen hergestellt und weltweit verkauft. Noch heute gilt die Gläserne Frau als Symbolfigur des DHMD und ist als zentrales Schauobjekt in der Dauerausstellung »Abenteuer Mensch« zu sehen. Trotz dieser großen Sichtbarkeit ist die (Erfolgs-)Geschichte der Gläsernen Frauen seit den 1930er Jahren noch nicht untersucht wor- den. Zwar liegen inzwischen zahlreiche Studien zur Geschichte der hygienischen Volksbelehrung und Institutionengeschichte des DHMD vor, in denen auch unterschiedlichste Ausstellungen des Museums besprochen werden. 4 Die nach 1945 zu beobachtende verstärkte Be- deutung der Gläsernen Frau blieb dabei jedoch weitgehend unbe- rücksichtigt. 5 Im Folgenden soll daher die Ausstellungsgeschichte Gläserner Frauen von der Erstpräsentation einer solchen Figur im Jahr 1934 bis in die 1960er Jahre hinein schlaglichtartig nachvollzo- gen werden. Dabei werden auch die bislang kaum untersuchten »Frau«-Ausstellungen des DHMD, die am Ende der 1920er Jahre eta- bliert und in den 1950er Jahren neu aufgelegt wurden, kurz umrissen. 6 EINFÜHRUNG ‹ Abb. 11 Werbeschild der Wanderausstellung »Die Frau«, 1950er Jahre, Inv.-Nr. 2021/531 41
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