Leseprobe
grafien von (jungen) Patient:innen deutscher Heil- und Pflegeanstal- ten unter dem Titel »Krankhafte Erbanlagen – Zug des Grauens« ver- wendet und einer Fotoserie mit augenscheinlich gesunden, Sport treibenden Kindern und Jugendlichen gegenübergestellt. Die Ausstellungsmacher:innen setzten also auf die Präsentation gegen- sätzlicher Körperbilder, die die Umsetzung rassenhygienischer und rassenpolitischer Forderungen ohne größere Erläuterungen sinnfällig machen sollten. 19 Damit hatte sich der Charakter der Wanderausstel- lung verändert: Es wurde nun Propaganda für die Rassenhygiene und Rassenpolitik des nationalsozialistischen Regimes betrieben – insbe- sondere für das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, das zum 1. Januar 1934 in Kraft getreten war und auf den Ausschluss vermeintlich erbkranker Menschen von der Fortpflanzung zielte. 20 Während der Überarbeitungsphase der Ausstellung 1933/34 wurde vermutlich auch das neue Schauobjekt der Gläsernen Schwangeren konzipiert, das so zu den frühesten am DHMD hergestellten Figuren gehören dürfte. 21 Das Museum bewarb das Modell vor der Erstprä- sentation in Erfurt als »Gegenstück zu dem berühmten ›Durchsichti- gen Menschen‹«, 22 was nahelegt, dass es als besondere Attraktion und Schlüsselobjekt intendiert war. Die Figur war jedoch nicht nur – wie der Gläserne Mann – als gesunde Frau, sondern dezidiert als Schwangere (Abb. 13) modelliert worden. Mit dieser Entscheidung war die Reproduktionsaufgabe der Frau in den Mittelpunkt gerückt worden, was der pronatalistischen NS-Propaganda entsprach. Nach der inhaltlichen Überarbeitung der Schau konnte die Figur als Idealbild der (erb-)gesunden deutschen Mutter verstanden werden. Zeitungs artikel, die über die Stationen der Wanderausstellung berichten, Abb. 12 Präsentation der überarbei- teten Wanderausstellung »Gesunde Frau – Gesundes Volk« im Februar 1934 in Wuppertal – noch vor der Einbettung der Gläsernen Schwangeren, Fotografie, Inv.-Nr. 2006/476.3 43
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