Leseprobe

Julia Bienholz- Radtke bestätigen zumindest teilweise diesen Eindruck. So kommentierte die Thüringer Allgemeine Zeitung die Wanderausstellung in Erfurt folgen- dermaßen: »Der Gedanke der Ausstellung, daß die Frau die entschei- dende Trägerin und Bewahrerin der Volksgesundheit ist und daß ihr durch diese Aufgabe eine große Verantwortung zugewiesen wird, entspricht dem Ideengut des Nationalsozialismus und geht zusam- men mit dem Bemühen durch großzügige Hilfsaktionen für Mutter und Kind die Zukunft des deutschen Volkes zu verbürgen. […] Den Abschluß bildet eine Schau für Erwachsene, die mit den Symptomen und Folgen der Syphilis und des Krebses, dem Verlauf der Schwan- gerschaft und anderen Fragen, die die Frau angehen, vertraut macht, und die in der ›durchsichtigen Frau‹ ein besonders wertvolles und belehrendes Anschauungsobjekt besitzt.« 23 Nach der gut zweiwöchigen Präsentation in Erfurt im Juni 1934 ging die Wanderausstellung »Gesunde Frau – Gesundes Volk« auf eine Tour durch Nord- und Ostdeutschland und war anschließend in Norwegen zu sehen. 24 Als Adressat:innen galten insbesondere Frau- en, denen in den parallel erscheinenden Zeitungsartikeln ein Besuch empfohlen wurde. 25 Auch auf diesem Abschnitt der Tournee wurde die Gläserne Schwangere als Highlight präsentiert und in der Presse als besonders teures und aufwendig hergestelltes zentrales Schau- objekt beschrieben. 26 Ausstellungen bzw. Ausstellungsgruppen, die grob dem Themenfeld Frau und Mutterschaft, Kinder- und Säuglingspflege gewidmet wa- ren, hatten 1934 bereits einen festen Platz im Ausstellungsprogramm des DHMD. Neben Marta Fraenkel hatte insbesondere der Arzt Bru- no Gebhard (1901–1985) seit seiner Anstellung als wissenschaftlicher Assistent im DHMD 1927 diesen Themenbereich bearbeitet. 27 Das neue Ausstellungsmaterial wurde erstmals 1928 in Wien präsentiert und war danach in weiteren thematisch angelehnten Expositionen, unter anderem in der Wanderausstellung »Gesunde Frau – Gesundes Volk« sowie auf der II. Internationalen Hygiene-Ausstellung 1930/31 in Dresden, zu sehen. 28 Zwischen 1936 und 1938 tourte eine 1934/35 überarbeitete Wanderausstellung unter dem Titel »Mutter und Kind« (Schwedisch: »Mor och Barn«) durch das Deutsche Reich, Schweden und Dänemark, die ab August 1936 auch die Gläserne Schwangere mitführte. Fotografien und Unterlagen aus dem Reichsarchiv Schwe- den erlauben einen Einblick in Organisation und Inhalte der Wander- ausstellung, über die bislang kaum Informationen vorliegen, sowie die darin integrierte Präsentation der Gläsernen Schwangeren. 29 Im Februar 1935 wandte sich der Generalsekretär des Schwedi- schen Roten Kreuzes, Baron Eric Stjernstedt (1871–1964), an den Präsidenten des DHMD, Georg Seiring (1883–1972), mit der Idee, eine Wanderausstellung des DHMD in Schweden zu zeigen: »Die Bevölkerungsabnahme ist in Schweden kritisch, weshalb ich der An- sicht bin, dass es angebracht wäre, eine Ausstellung betreffend Mutter und Kind zu ordnen, teils mit Ihrer ausgezeichneten Ausstellung ›Ge- sunde Frau – Gesundes Volk‹ , teils mit Statistik und gewissen secuel- len [sic!], für schwedische Verhältnisse geeigneten Aufklärungen.« 30 »MOR OCH BARN« MIT DER GLÄSERNEN SCHWANGEREN 44

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