Leseprobe
Auch im sozialdemokratisch regierten Schweden wurde seit den 1920er Jahren eine Debatte um Geburtenrückgang und bevölkerungs- politische Maßnahmen geführt, die 1934 und 1941 in die Verabschie- dung von Gesetzen zur (Zwangs-)Sterilisation aus verschiedenen Indi- kationen mündete. 31 Anhand von Fotoalben zur Ausstellung »Gesunde Frau – Gesundes Volk« sowie einer persönlichen Besichtigung der Schau »Wunder des Lebens« wählte der schwedische Ausstellungs- verantwortliche in Dresden die Ausstellungsobjekte und -tafeln aus. Zentrales Objekt sollte der Gläserne Mann sein, der jedoch wegen der dichten Ausstellungsplanung des DHMD nur beim ersten Stopp der Wanderausstellung in Stockholm zu sehen war und anschließend nach Dresden zurückkehrte. Stattdessen wurde für die späteren Stationen die Gläserne Schwangere nach Schweden gebracht. Die Gläserne Schwangere wurde ab August 1936 offenbar in räum- licher Nähe zum Ausstellungsteil über Befruchtung und embryonale Entwicklung auf einem ausladenden Sockel stehend präsentiert. Die Figur war als gesunde und anmutige Frau ausgestaltet, deren Körper haltung sich deutlich von derjenigen Gläserner Männer unterschied: Statt im Orantengestus stand die Figur mit gesenkten Armen in Schrittstellung und mit nach vorn ausgerichtetem Kopf. Haare und Gesicht waren stärker ausformuliert. Die transparente Außenhaut er- möglichte den Blick auf Lage und Ausdehnung der Gebärmutter sowie die Anatomie der Brustdrüsen. Die inneren Organe konnten beleuchtet werden. 32 Jedoch scheint der Fetus in der Gebärmutter – im Gegensatz zu anderen Darstellungen schwangerer Körper (auch innerhalb der Ausstellung) – für die Betrachter:innen nur einge- schränkt sichtbar gewesen zu sein. Der Fokus des Modells lag dem- nach vollständig auf der schwangeren Frau. Abb. 13 Die Gläserne Schwangere in der Wanderausstellung »Mor och Barn« in Schweden, Fotografie, 1936 45
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1