Leseprobe
URSULA HALLER GLÄSERNE FIGUREN ERHALTEN. GEDANKEN ZUR KONSERVIERUNG UND RESTAURIERUNG GANZ BE SONDERER HISTORISCHER OBJEKTE Die Erhaltung der Gläsernen Figuren erfordert das Mitwirken vieler Menschen und vieler sehr verschiedener Disziplinen. Es handelt sich jedoch nicht nur um eine komplexe Aufgabe, die interdisziplinäres Forschen und Handeln voraussetzt, sondern vor allem um ein Gene- rationenprojekt. Im Mittelpunkt steht das Forschungs- und Arbeits- gebiet der Konservierungs- oder Restaurierungswissenschaft, das – an sich schon sehr interdisziplinär angelegt – in diesem besonderen Fall eng vernetzt mit Kultur- und Technikgeschichte, Museologie, analytischer Chemie und vor allem Klima- und Ausstellungstechnik einer großen Herausforderung gegenübersteht, denn es geht – wie so oft – nicht einfach nur darum, materielle Gebilde aus verschiede- nen Werkstoffen zu erhalten. Diese historischen Objekte vermitteln etwas Immaterielles an zukünftige Generationen, das zunächst einmal einer Definition bedarf. Und so steht, bevor man sich mit dem »Wie« beschäftigen kann, neben der sorgfältigen Untersuchung des mate- riellen Bestands und seines Zustands am Anfang erst einmal das »Was«. In diesem Fall bedeutet das die Annäherung an viele Fragen: Zu welchen Zwecken wurden Gläserne Figuren hergestellt? Was be- deuteten Gläserne Figuren für das Publikum der Vergangenheit? Was vermitteln historische Gläserne Figuren uns heute? Was können sie für künftige Generationen sein? Was soll also das Ziel der Erhaltung sein? Darf eine Erhaltungsmaßnahme heute sichtbar gealterte Glä- serne Figuren verändern? Und bei alledem darf man nicht vergessen, dass es ja nicht »die« Gläserne Figur gibt. Die Werkstatt »Gläserne Figuren« des Deutschen Hygiene-Museums (DHMD) fertigte über rund sieben Jahrzehnte hinweg unter verschiedenen zeitgeschichtli- chen Voraussetzungen unterschiedliche Produkte aus unterschiedli- chen Materialien für unterschiedliche Präsentations- und Ausstel- lungszusammenhänge oder Lehrzwecke. 1 Kann es also überhaupt allgemeine Aussagen über Erhaltungsstrategien für Gläserne Figuren geben oder muss jede Figur als Einzelstück betrachtet werden? 2 Die Entwicklung von Erhaltungsstrategien auf der Basis umfassen- der konservatorischer und naturwissenschaftlicher Untersuchungen ‹ Abb. 44 Gläserner Mann von 1935 in der Sonderausstellung »Rassismus. Die Erfindung von Menschenrassen«, 2018 105
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