Leseprobe
Einen größeren Auftritt erlangte die Gläserne Kuh 1999 innerhalb der DHMD-eigenen Sonderausstellung »Der neue Mensch. Ob- sessionen des 20. Jahrhunderts«. Dabei wurde sie – gemeinsam mit drei weiteren Gläsernen Figuren – als Schlüsselobjekt der Abteilung »Der Kosmos. Die neue Wahrneh- mung des Menschen« präsentiert (Abb. 67). Mit ihrer Transparenz und detailgetreuen Wiedergabe der tierischen Anatomie stand siedabei alsSymbol fürden»ungebrochene[n] Glaube[n] an die Erlösung durch Wissen- schaft«. 8 › Gläserner Mann von 1962/63, S. 150 Bis einschließlich 2002 wurde die Glä- serne Kuh schließlich innerhalb der DHMD- eigenen Dauerausstellung zum Thema »Er- nährung und Verdauung« ausgestellt. Nach jahrelangem Umbau eröffnete das DHMD 2004/05 die neu entwickelte Dauer- ausstellung unter dem Titel »Abenteuer Mensch«. Erneut präsentierte es darin die Gläserne Kuh – nun als zentrales Schauob- jekt des Themenraums »Essen und Trinken«. Die Ausstellungsmacher:innen ordneten die Figur dabei dem Themenkomplex »Fleisch- produktion« zu und stellten sie in den Kontext des Ausbaus der Landwirtschaft in den 1950er Jahren. Dementsprechend begriffen sie die Gläserne Kuh als Anschauungsobjekt zur Vermittlung von Fachwissen sowie als Symbolfigur für die Idee einer technisierten Landwirtschaft. Die tierische Anatomie stand also nicht mehr im Mittelpunkt der Präsenta- tion, und die Beleuchtung der inneren Orga- ne wurde den Besucher:innen – auch aus konservatorischen Gründen – nicht ermög- licht. › »... die Figur als Kunstwerk zeigen«, S. 35 Der ursprüngliche Audiovortrag zur Figur mit den anatomisch-physiologischen Erläute- rungen von 1959 wurde jedoch zum Anhören angeboten. 9 2014 erfolgte eine inhaltliche wie szeno- grafische Überarbeitung dieses Saals. Dabei behielten die Kurator:innen jedoch die grund- sätzliche Präsentationsweise und Kontextu- alisierung der Gläsernen Kuh bei (Abb. 36). 2020 wurde die Figur aufgrund ihres konser- vatorischen Zustands aus der Dauerausstel- lung entfernt und gegen ihr Gipspositiv aus- getauscht. 10 1 Gläserne Kuh, Inv.-Nr. 2001/89, Datensatz in der Online-Da- tenbank des DHMD, https://sammlung.dhmd.digital/object/ e4980d4e-d8a0-42c5-bb51-e049daaf4093 (8. 10. 2021). 2 Sockel der Gläsernen Kuh, Inv.-Nr. 2001/89.1, Datensatz in der Online-Datenbank des DHMD, https://sammlung.dhmd . digital/object/8427abe9-25c5-457d-8ed0-59957b050786 (8. 10. 2021); Abspielgeräte für Hörvortrag, Inv.-Nr. 2016/408 –2016/414. 3 Vgl. Reisebericht nach Venezuela sowie weitere Dokumen- te, in: HStA Dresden, 13658 Deutsches Hygiene-Museum Dresden, Nr. Rb 3 Bd. 12. 4 Vgl. ebd. 5 Parallel befand sich die erste, 1959 fertiggestellte Gläserne Kuh zur »Generalüberholung« in der Werkstatt »Gläserne Figuren«, vgl. Holger: Die Kuh, die kein Gras frißt, in: Säch- sische Neueste Nachrichten vom 1./2. 10. 1983, in: HStA Dresden, 13658 Deutsches Hygiene-Museum, Nr. Z Bd. 16. 6 Besucherstatistik der Abteilung Ausstellungen und Veran- staltungen des DHMD von 1988, Registratur Deutsches Hygiene-Museum, Nr. 7177 1983–1993. 7 Vgl. dazu das Begleitbuch zur Ausstellung: Brock, Christine: Die Kuh – die Milch, Dresden 1997. 8 Tyradellis, Daniel: Der Kosmos. Die neue Wahrnehmung des Menschen, in: Lepp, Nicola/Roth, Martin/Vogel, Klaus (Hg.): Der Neue Mensch. Obsessionen des 20. Jahrhun- derts, Ostfildern 1999, S. 174–203, hier S. 185. 9 Der Hörvortrag von 1959 ist in der Sammlung erhalten, Inv.-Nr. 2018/521, Datensatz in der Online-Datenbank des DHMD, https://sammlung.dhmd.digital/object/912c44b1- f025-4877-a4e0-4c24396e0b0e (8. 10. 2021). 10 Gipspositiv der Gläsernen Kuh, Inv.-Nr. 2006/68, Datensatz in der Online-Datenbank des DHMD, https://sammlung. dhmd.digital/object/b9dee6e4-6e28-4d1b-b9b0-9b6478dd- f77f (15. 9. 2021). Abb. 67 Die Gläserne Kuh mit weiteren Gläsernen Figuren in der Sonderausstellung »Der neue Mensch. Obsessionen des 20. Jahrhunderts«, 1999 156
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