Leseprobe

DIE AUSSTELLUNGSGRUPPE »DER DURCHSICHTIGE MENSCH« 1925 präsentierte das Deutsche Hygiene- Museum Dresden (DHMD) unter dem Titel »Der durchsichtige Mensch« eine neue Aus- stellungsgruppe, die über Jahre hinweg als besondere Attraktion der (Wander-)Ausstel- lungen des Museums fungieren sollte. Es handelte sich um eine Zusammenstellung von in Leuchtkästen präsentierten Präpara- ten menschlicher Körperteile, die auf einem Verfahren des Anatomen Werner Spalteholz (1861–1940) beruhten und bereits 1911 auf der I. Internationalen Hygiene-Ausstellung als Neuheit gezeigt worden waren. Die mit der Spalteholz-Methode hergestellten Präparate wiesen einen besonderen Schauwert auf, den die Ausstellungsmacher:innen für sich nutzten: Sie erschienen durchsichtig. Um diesen Effekt zu erreichen, wurde das jewei- lige Körperteil mit einer Flüssigkeit getränkt, die denselben mittleren Brechungsindex wie dieses aufwies. Der Präparator des DHMD, Franz Tschackert (1887–1958), hatte das Verfahren weiter verfeinert und stellte damit auch Injektionspräparate her. 1 In den Leucht- kästen wurden die Präparate von hinten be- leuchtet, wodurch ihre Transparenz weiter hervorgehoben wurde. Auf diese Weise soll- ten Bau und Funktion des menschlichen Kör- pers, seiner inneren Organe, Knochen und Gelenke für die Besucher:innen nachvollzieh- bar werden. Nur eine Handvoll Fotografien in der Sammlung des DHMD gibt Einblick in Inhalt und Präsenta- tionsweise der Gruppe Mitte der 1920er Jahre. Nachdem diese erstmals ab Ende April 1925 auf der Hygiene-Ausstellung in Wien zu sehen gewesen war, wurde »Der durchsichtige Mensch« ab September 1925 als Teil der Aus- stellung »Vererbung, Fortpflanzung, Rassen- hygiene und Geschlechtskrankheiten« in der Ausstellungshalle des DHMD am Dresdner Zwingerteich gezeigt. 2 Die Ausstellungsgruppe stand dabei in einer von der übrigen Halle ab- getrennten dunklen Koje, deren Eingang von zwei antiken Statuen flankiert wurde. Nach 1925 wurde die neue Ausstellungs- gruppe regelmäßig innerhalb von Gesund- heitsausstellungen des DHMD eingesetzt und hatte so einen hohen Wiedererkennungswert. 3 Parallel bot die Lehrmittel A.G. des Museums Spalteholz-Präparate zum Verkauf an. Bereits Mitte der 1920er Jahre fassten die Verantwortlichen am DHMD offenbar den Plan, eine durchsichtige Ganzkörperfigur – den Gläsernen Menschen – in das Ensemb- le zu integrieren und auf der Großen Ausstel- lung für Gesundheitspflege, soziale Fürsor- ge und Leibesübungen (GeSoLei) 1926 in Düsseldorf zu präsentieren, was jedoch aufgrund technischer Probleme nicht zur Umsetzung kam. 4 Erst bei der Eröffnung des Museumsgebäudes 1930 wurde eine aus Kunststoff gefertigte Ganzfigur, der Durch- sichtige Mensch, dem Ensemble hinzuge- fügt und innerhalb der Hausausstellung des DHMD effektvoll inszeniert. JBR Abb. 102 Koje der Ausstellungsgruppe »Der durchsichtige Mensch« in Dresden, Fotografie, 1925, Inv.-Nr. 2009/218.29 Abb. 103 Von hinten beleuchtete Präparate menschlicher Körper- teile in der Ausstellungsgruppe »Der durchsichtige Mensch« in Dresden, Fotografie, 1925, Inv.-Nr. 2009/218.30 198

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1