Leseprobe

16 Dies war erst der Anfang einer Karriere, die peripatetische Reisen auf der gesamten italienischen Halbinsel mit sich brachte – vergleichbar mit jenen der von ihm gemalten Patriarchen. Er reiste von Genua nach Rom und weiter nach Neapel, über dieselben Stationen wieder zurück, dann wei- ter nach Mantua, Venedig und Parma. Auf seinen Streif- zügen ist er sicherlich immer wieder auch Personen aus den östlichen Teilen des Mittelmeers begegnet, von denen er im Fortlauf seiner Karriere etliche malen sollte. Der Biograf Ratti charakterisierte Castigliones Ausbildung zusammen- fassend als aus vielen Quellen gespeist und dabei stets intui- tiv seinen eigenen Bedürfnissen angepasst. 17 Castigliones Weg zum Erfolg verlief anfangs jedoch nicht ohne Hindernisse. Seine frühen Werke, inspiriert von den beliebten Drucken nach Bassano und gemalt im Stil des flämischen Naturalismus, brachten seine berufliche Ent- wicklung in Rom kaum voran. Seinen Kollegen, denen er nacheiferte, dürften solch pastorale Genreszenen, die zur Darstellung von Episoden aus dem Leben Abrahams, Jakobs, Labans oder Rebekkas dienten, nur wenig erstrebenswert erschienen sein. Die meisten dieser Gemälde entstanden zu Beginn seiner Laufbahn nicht etwa im Auftrag, sondern er bot sie als »verkaufsfertige« Bilder relativ bescheidenen Sammlern auf dem freien Markt an. 18 Beispielhaft hierfür ist das erste bekannte, von ihm signierte und datierte Gemälde: Die Reise Jakobs (1633; Abb. 3). Bekannt wurde er für seine Spe- zialisierung auf Bilder, die Patriarchenreisen zum Thema haben, ein kommerzielles Unterfangen, das für junge Künst- ler wie Castiglione damals in Rom nicht unüblich war. Es steht außer Frage, dass dieses Thema zum häufigsten Gegen- stand in Castigliones gesamtem Œuvre wurde, ein Sujet, das ihm den Broterwerb sicherte, dessen Erfolg, so will es schei- nen, aber auch ambitionierten künstlerischen Plänen imWeg stand. Nachdem er 1633 und 1634 gelegentlich die Accademia Abb. 3 Giovanni Benedetto Castiglione Die Reise Jakobs 1633 · Öl auf Leinwand · 98× 134 cm Privatbesitz

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