Leseprobe

Monotypien Castiglione war – und das ist ungewöhnlich für seine Zeit – ein Grenzgänger zwischen den künstlerischen Medien. Während schon seine Ölpinselzeich- nungen die Trennlinie zwischen Zeichnung und Malerei verwischen, so ist die von ihm entwickelte Technik der Monotypie ein nicht weniger schillern- des Ausdrucksmittel, das weder ganz der Zeichnung noch eindeutig der Druckgrafik zugeordnet werden kann. Bei der Monotypie wird das Motiv auf eine Druckplatte aufgebracht, wobei nicht die Druckplatte selbst, sondern nur die darauf befindliche Druckfarbe bearbeitet wird. Daraus resultiert, dass bei der Monotypie – sobald Platte und Papier durch die Presse gezogen wor- den sind – nur ein einziger wirklich satter Abdruck möglich ist. Obgleich das Papier im Zuge des Druckvorgangs einen Großteil der Farbe aufnimmt, lässt sich mit der rückständigen Druckfarbe auf der Platte gelegentlich noch ein zweiter Abzug herstellen, der aber blasser ausfällt und im Englischen unter der Bezeichnung cognate oder ghost firmiert (siehe Kat. 50). Die Druckplatten selbst können wiederverwendet werden und als Druckform gleich mehrerer Monotypien dienen. Da sich das Verfahren derart einfach ausnimmt, ist anzunehmen, dass man schon lange vor der Zeit Castigliones zu Resultaten gelangte, die mit den Charakteristika von Monotypien vergleichbar sind. Um die Monotypie aller- dings zu einem bewussten Ausdrucksmittel zu erheben, musste erst ein neues Verständnis eintreten für den Druckvorgang als schöpferisches und über den reproduktiven Zweck hinausreichendes Experimentierfeld. Von Castiglione sind rund zwei Dutzend Monotypien überliefert. Unter diesen lassen sich zwei verschiedene Vorgehensweisen in der Verteilung der Farbe auf der Druckplatte unterscheiden: Einerseits konnte das Motiv direkt mit

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