Leseprobe

dem Pinsel auf die Platte skizziert werden (sogenanntes Hellgrund-Ver- fahren). Neun Monotypien, die in einem solchen Vorgang hergestellt wur- den (darunter das in unserer Ausstellung vertretene Brustbild eines Orienta- len aus Windsor, Kat. 45), sind bis heute nachweisbar. Die Kompositionen wurden zumeist mit breitem Pinselstrich vorgetragen. Wurde die Farbe allerdings zu dick aufgetragen, so konnten mit dem Druckvorgang Quetsch- effekte auftreten, von denen nicht immer klar ist, ob sie der Künstler beabsichtigt hatte. Andererseits existiert das sogenannte Dunkelgrund-Verfahren, das bei Cas- tigliones Monotypien deutlich überwiegt. Hierbei wurde die Druckfarbe zunächst gleichmäßig mit dem Pinsel oder der Walze über die polierte Metallplatte verteilt, bis eine gänzlich dunkle Fläche vorlag. Castiglione kratzte daraufhin die Linien aus dem dunklen Farbfilm heraus, sodass sich diese effektvoll und gleichsam als Lichter vom dunklen Grund abzuheben vermochten. Als Instrumente, mittels derer die gewünschten Partien aus der Druckfarbe herausgekratzt wurden, bediente sich der Künstler hölzerner Stäbchen von unterschiedlicher Breite, die mit unterschiedlichem Druck durch die Farbe geführt wurden. Gegenüber spitzen Metallnadeln besaßen diese den Vorzug, dass sie die Platte im Zuge der Bildgestaltung nicht beschädigten. Ganze Flächen wiederum ließen sich durch Wischtechniken aufhellen, indem die Druckfarbe mit Lappen, weichen Pinseln, gelegentlich sogar mit den Fingern weggewischt wurde. Diese Entfernung von Druck- farbe durch Wischen und Tupfen erlaubte dem Künstler die Erzeugung tonaler Zwischenwerte. Vergleichbar sind die Monotypien im Dunkelgrund-Verfahren übrigens mit Arbeiten von Castigliones großem Vorbild Rembrandt. Obwohl vom hollän- dischen Zeitgenossen keine Monotypien überliefert sind, bediente sich die- ser eines ähnlichen Verfahrens, indem er den Plattenton in einigen seiner Radierungen immer wieder bewusst mit einbezog (Kat. 51). Kein Zweifel, der Zauber der Monotypie liegt in dem schnellen Vorgehen auf der Platte, den starken Effekten von Hell und Dunkel und in den Über- raschungsmomenten, die das Druckresultat für den Künstler birgt. »Straight- forwardness«, so sagte der Künstler Charles Alvah Walker einst über das auch im 19. und 20. Jahrhundert extensiv genutzte Druckverfahren, »is the foundation of the monotype«. Jonas Beyer

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